Der Fall der Feste
Feindes sich in Richtung von Kaigrant bewegen. Das melden die Kinvarda-Späher.“
Aurics Blick schweifte nach Osten, wo hinter vielen Meilen rauen Geländes die nördliche Festungsstadt lag. Er hatte gehofft, dass dies nicht geschehen würde, aber trotzdem hatten sie mit dieser Möglichkeit immer rechnen müssen.
Kaigrant war für sie nicht zu verteidigen.
Sie waren keine reguläre Division des idirischen Heeres mehr.
Eine solche hätte von ihrer Kampfkraft her für die Verteidigung der isolierten Stadt im Norden einen Unterschied machen können. Gegen die gesammelte Streitmacht, welche die Nichtmenschen versammelt hatten, hätte auch sie wahrscheinlich letztlich nicht den Ausschlag geben können. Wenn die Nichtmenschen Kaigrant wirklich einnehmen wollten, wäre auch von ihr keine Rettung für die Stadt zu erwarten gewesen.
Andererseits bedeutete es für sie, wenn sie Kaigrant dennoch mit all ihren Kräften zu Hilfe eilten, dass sie mit den Belagerten in der Stadt festsäßen, dass sie dort gebunden wären. Damit wäre ihr Plan, die Nichtmenschen bei ihrem Marsch zum Riaudan-Pass und somit ins Herz des idirischen Reiches zu behindern und zu verlangsamen, endgültig vereitelt.
„Sie werden Kaigrant nicht belagern“, hatte Davernian vorgebracht, als sie sich am Anfang ihrer Guerillakampagnen über diese Möglichkeit beraten hatten. „Sie wollen schnell, am besten lange vor Einbruch des Winters über den Riaudan-Pass, und eine solche Belagerung wird sie zu lange aufhalten.“
Sein Kutten-Leibwächter hatte damit genau Aurics eigener Meinung Ausdruck verliehen. Sie hatten Boten nach Kaigrant geschickt, um die Stadt und ihre Bevölkerung vor der anrückenden Gefahr zu warnen.
Der Syndikus von Kaigrant, der vorher gegenüber Suevaren-Raubzügen seine dickfellige Ruhe bewahrt hatte, war jetzt alarmiert. Das berichteten Auric die von ihm entsandten Boten bei ihrer Rückkehr.
Auric hatte, bevor mit dem Tod Hubbarbs, des letzten verbliebenen Senphoren diesseits der Drachenrücken, jegliche Kommunikation mit dem Kernland des Idirischen Reiches zusammenbrach, durch seine Verbindungen zu Ikun, Heerespräfekt Makuvan und der Kutte Einblicke in die Vorgänge im Gesamtgebiet des Reiches und in die sich daraus ergebenden strategischen Zusammenhänge gehabt. Der Syndikus von Kaigrant aber hatte diese Informationen und den entsprechenden Überblick nicht. Er konnte nicht erkennen, dass Norgond für das Nichtmenschenheer einfach nur eine Durchmarschzone war, ein Weg direkt ins Herz des Reiches, über den man keine Annäherung eines Feindes vermutete. Er musste annehmen, der Aufmarsch des Feindes gelte seiner Provinz und Mittelnaugarien. Seine Klugheit reichte jedoch aus, den Berichten von Aurics Boten Glauben zu schenken. Er leitete die Evakuierung der Stadt in die Wege.
Die Nachricht verbreitete sich unter der Bevölkerung. Die ersten, die die Stadt in langen, chaotischen Trecks in Richtung Süden verließen, so wussten Boten und Späher zu berichten, waren die Flüchtlinge, die vor den Suevarenraubzügen in der Stadt Zuflucht gesucht hatten. Sie hatten abgesehen von ihrem nackten Leben fast nichts von ihrer Habe retten können und fristeten in den überfüllten Straßen Kaigrants ein erbärmliches Dasein. Sie verließen Kaigrant auf allen möglichen Wegen, aber hauptsächlich sah man sie doch in Scharen die Reichsstraße in südwestlicher Richtung nach Norgond hin herabziehen. Die Bürger Kaigrants selber brauchten länger um ihre Häuser und Existenzen in der Stadt zurückzulassen, das, was zu retten war, zu sichern. Viele wollten auch jetzt noch ihre Heimat nicht verlassen, weil sie den Gerüchten keinen Glauben schenkten und das, was man ihnen berichtete, für Übertreibungen hielt. Doch schon jetzt wurden Karren und Wagen in Kaigrant zu einem raren Gut, für das Wucherpreise bezahlt wurden. Erste hochbepackte Gefährte verließen die Stadt, begleitet von den Trupps von Großfamilien oder Zusammenschlüssen von Menschen, die sich zusammen auf die lange, beschwerliche Reise machen wollten. Zusätzlich mit der ersten Welle von Flüchtlingen verstopften sie schon jetzt die Reichsstraße. Verunglückte, umgestürzte Gefährte und Achsbrüche taten das ihre, das bestehende Chaos noch zu verstärken.
Es brauchte keinen Scharfsinn, um zu erkennen, dass sich die Lage noch verschlimmern würde, wenn erst einmal das Gros der Bevölkerung ebenfalls die Flucht aus Kaigrant antreten würde. Sie würden unendlich
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