Der Fall der Feste
widerspricht. Ein widernatürlicher Einfluss. Es ist ebenfalls Gegenstand unserer Untersuchung festzustellen, wie sehr ihr euch vom Geist der Gemeinschaft entfernt habt.“
Darachel spürte, wie er unruhig auf einer Stelle hin und her trat. Wie konnte dieser Enthravan es wagen, den Geist ihrer Gemeinschaft in Rede zu führen und hinter dem Rücken eigene, verborgene Motive zu verfolgen. Wie konnte er es wagen, für diese Gemeinschaft zu sprechen, wenn er vor genau dieser Gemeinschaft wichtige Wahrheiten verbarg.
„Genau das“, ergriff er das Wort, „scheint mir die zentrale Frage zu sein. Widerspricht es tatsächlich dem Geist unserer Gemeinschaft, Forschungen dieser Art anzustellen? Nennen wir es Magie, um dafür einen Begriff zu haben. Ist es nicht so, wie viele Hinweise in den Schriften andeuten, dass es eine Zeit gab, in der wir Ninraé die Magie beherrscht und praktiziert haben?“
„Und welche Schriften sollten das sein?“ Cenn-Vekanens Blick war lauernd und voll verhaltener Drohung.
Ahnte er von seinem und Aurics Fund? Wartete er nur darauf, dass Darachel den Fund des geheimen Raumes mit den Apokryphen zugab, damit er sich gegenüber möglichen Mitwissern dieser Verschwörung als schwere Bedrohung identifizierte? Und die anderen ihrer Gruppe gleich mit ihm? Er kannte nur Cenn-Vekanen als einen Wahrer dieser Geheimnisse, er wusste nicht was und wer sonst noch dahinter steckte. Wenn er das Ausmaß unterschätzte und hier das Szenario einer Gefahr für diese Kräfte heraufbeschwor, konnte es sein, dass er damit gleichzeitig das Schicksal aller Angehörigen des Neuen Rings damit besiegelte.
„Bestimmte Perspektiven im Ring der Neun , der Diegese des Späten Widerstands und der Historien legen nahe, dass sich die Verfasser jener Bücher des von ihnen Berichteten nicht als einer Fiktion sondern als historisch belegter Tatsachen sicher waren. Die Bruchstücke der Apokryphen, die wir besitzen, scheinen das zu stützen.“
„Ah, Darachels Spezialthema“, hörte er Cenn-Vekanen sagen. Er schaffte es tatsächlich, jede Spur des Hohns aus seiner Stimme herauszuhalten.
„Für mich ist es ein literarisches Spezialthema, aber für zumindest einige der Versammelten Enthravanen dürfte es lebendige Vergangenheit sein. Wir müssen uns also nicht auf Bücher und ihre Deutungen beziehen. Es gibt hier Zeugen, die wir direkt befragen können, ob die Ninraé in der Vergangenheit über magische Kräfte geboten haben.“
Ein Schweigen entstand in der Wand der Enthravanen. Ihm schien, als würde in der Reihe der Gestaltsäulen der Silaé hinter ihnen sich auf dem Gesicht von Bogenfall des Lichts die Spur eines Lächelns zeigen. Cianwe-Gauchainen und Viankhuan wechselten Blicke miteinander.
Viankhuan war es, die schließlich das Wort ergriff.
„Es gab tatsächlich einen Punkt in der Geschichte der Ninraé, an dem man diskutiert hat, ob man den Weg, der in das Gebiet magischer Forschungen und Praktiken führt, weiterverfolgen solle. Ich selber war kein Zeuge dieser Zeit, aber ich habe aus zahlreichen Gesprächen mit denen, die sie erlebt haben, davon erfahren. Tatsächlich hat man sich gegen diese Möglichkeit entschieden. Aus genau den Gründen, die hier angeführt worden sind, der Unwägbarkeit der Auswirkungen für das ghan und das Gewebe der Welt.“ In Viankhuans Blick stand zwar nicht die Nähe zu ihm, die sie in ihren Gesprächen geltend gemacht hatte – diese musste an diesem Ort der Unparteilichkeit weichen – aber die gleiche Aufrichtigkeit, die er schon immer von ihr erfahren hatte. Sprach sie die Wahrheit? Waren die Bücher, die sie gefunden hatten, tatsächlich nichts anderes als nicht-kanonische Apokryphen? Oder gab es doch eine Verschwörung, in die sie als Enthravanin nicht eingeweiht war?
„Gab es tatsächlich einen Magier-Tyrannen Perkantheron?“, drängte er nach. „Was steckt an Wahrheit hinter dieser Fabel?“
Vhiankhuan schien sich kurz zu besinnen, bevor sie antwortete. „Es gab tatsächlich jemanden in der Geschichte unseres Volkes, der gegen den allgemeinen Beschluss dennoch diese Richtung weiterverfolgte. Mit den bekannten negativen Ergebnissen. Was den Rest der Gemeinschaft nur in ihrem Beschluss bestärkt hat.“
„Aber sein Beharren auf dieser Zeit, sein Forschen darüber, ist immerhin interessant.“ Darachels Blick zuckte zu Cenn-Vekanen hin, der sich hier eingeschaltet hatte. „Es ist immerhin die Zeit, in der sich auch die Irrgeister vom Entwicklungsweg unserer
Weitere Kostenlose Bücher