Der Fall der Feste
Talseite hin.
„Was ist los, Nanrid?“
„Irgendetwas ist da“, entgegnete der Kinvarda, noch immer den waldgesäumten Grat entlang spähend. „Ich dachte –“ Nanrid gab einen abgehackten Schrei von sich. Mehr brauchte er nicht mehr zu sagen, Auric sah es auch.
Menschen wimmelten aus dem Saum des Waldes heraus und stürmten die Hänge hinab auf sie zu. Sie trugen Rundschilde und ihre Mäntel waren rot gefärbt. Saphatraken.
Er schrie seinen Leuten eine Warnung entgegen und sah sie stutzen, ihre Gesichter dem Talhang zugewendet. Aus den Reihen der herabstürmenden Angreifer erhob sich hohes, sich überschlagendes Heulen. Immer mehr von ihnen strömten zwischen den Stämmen der Bäume hervor.
Er schätzte ihre Anzahl und die Entfernungen ab. Es auf einen Kampf ankommen zu lassen, schien ihm ein unnötiges Risiko. Wenn der Feind aber mit ihrer Flucht gerechnet hatte, so hatte er sich zu früh gezeigt, um ihnen den Ausweg abzuschneiden.
„Zu den Pferden!“, brüllte er seinen Leuten ringsumher zu, die schon ihre Waffen zogen und zu einer Verteidigungsformation ansetzen wollten, auf seinen Ruf jedoch das Bachbett entlang in Richtung ihrer Reittiere rannten. Ihre Angreifer waren zu Fuß, sie selber waren beritten. Noch war Zeit zu entkommen. Er war nicht bereit, das Leben eines Trupps seiner stark ausgedünnten Kräfte bei einem überflüssigen und nicht klar lohnenswerten Wagnis aufs Spiel zu setzen.
Er selber setzte sich mit Nanrid an seiner Seite den Bachlauf hinab in Bewegung, sah vor sich Unruhe in die Herde der angeflockten Pferde und ihrer Bewacher kommen. Seine Leute taten ihr Bestes, die Pferde ruhig zu halten und für den Rückzug zusammen zu treiben.
Ein weiterer Schatten huschte über die Hänge, nicht in ihrem Rücken, sondern direkt vor ihnen. Etwas bewegte sich sehr schnell den Hang oberhalb der Pferde und ihrer Wachen herab. Es sprang über Steine, überwand Erdfurchen, stürzte die Böschung hinunter wie ein unaufhaltsam ins Rollen geratener Kiesel, mit animalischer, selbstvergessener Grazie. Es war schlankgliedrig und schwarz und hatte die Gestalt eines Menschen.
Auric entfuhr ein Schreckensschrei. Er beschleunigte seinen Schritt und zog im Laufen sein Schwert aus der Scheide. Die Wachen hatten den einzelnen sich rasch nähernden Angreifer ebenfalls gesehen, wappneten sich und formten vor den Rössern eine schützende Reihe.
Fast waren Auric und Nanrid bei den Pferden angekommen, als der Angreifer die Wachen erreichte. Kurz bevor er auf ihre Reihe traf, schnellte sich die schlanke, schwarze Gestalt in die Luft und zwei Klingen blitzten. Sie kam auf den Schultern einer der Wachen mit den Füßen auf und stieß sich dort wieder ab. Die Wache griff sich an den blutenden Hals, eine andere daneben taumelte, stürzte. Der Angreifer war hinter ihnen in der Hocke auf dem Boden aufgekommen, wirbelte in einer einzigen fließenden Bewegung herum und war schon wieder kampfbereit. Blendend hell fing sich das Sommerlicht auf zwei geraden, kurzen Klingen in seinen Händen, genauso wie Auric sie bei den angeblichen Quâ-tsunja gesehen hatte. Die dunkle Gestalt fegte zwischen den Wachen hindurch wie durch einen lang vertrauten Übungsparcours, als seien die Kämpfer der Sechzehnten nur leblose Hindernisse und Geräte, die ihm dienten, um sich zwischen ihnen hindurch zu schwingen. Auric war heran, hob sein Schwert. Der Angreifer in einer Wende seines blutigen Klingentanzes kam frontal zu Auric. Sein Blick traf direkt Aurics Gesicht, seine Klingen in korrespondierenden Bahnen schwenkend drang er auf Auric ein. Drei Klingen, Aurics lange und zwei kurze, kreuzten sich, flirrten in komplexem Muster. Auric spürte zweimal scharfes Ziehen an seiner Kopfhaut, war aus dem direkten Kontakt heraus und setzte nach. Er sah, dass Nanrid bereits den Kampf angenommen hatte. Er begegnete dem dunklen Angreifer mit einem Langmesser mit gebogener Klinge und einem schmalen stilettartigen Stahl. Der Angreifer entzog sich ihm wieder in fließendem Wirbel, Auric blockte ihn und sah, dass Nanrids kurze Klinge bis zum Heft in seiner Schulter zurückgeblieben war. Wie Pechkohle glitzernde Augen in einem Gesicht, bleich und starr, ungerührt, ohne jede Spur von Schmerz durch die Verletzung, fixierten Auric für einen Sekundenbruchteil. Dann hatte sich der Angreifer schon wieder dem Kontakt entzogen.
Hinter sich hörte Auric Kampflärm. Die ersten Saphatraken hatten den Talgrund erreicht und griffen den von Nefraku geführten
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