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Der Fall Lerouge

Der Fall Lerouge

Titel: Der Fall Lerouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Èmile Gabroriau
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in beleidigendem Ton fuhr er fort: »Ein Edelmann vom Scheitel bis zur Sohle! Ein Muster an Ritterlichkeit! Mein lieber junger Graf ... oder soll ich schon sagen: mein sehr verehrter Monsieur Gerdy? Du hast also deine Entscheidung getroffen, gegen meinen Namen, meinen Besitz, willst mein Haus verlassen und in die weite Welt ziehen. Aber hat mein edelmütiger Ritter auch bedacht, wovon er leben will? Du hast doch nicht einmal einen Beruf. Die viertausend Francs, die ich Ihnen, Monsieur Gerdy, als monatliche Apanage ausgezahlt habe, haben Sie die gespart? Vielleicht kannst du dein Glück an der Börse machen. Da würde natürlich der Name, den du jetzt noch trägst, stören. Sag doch, daß du alles satt hast, den Umgang mit meinen Freunden, und daß du brennend gern unter deinesgleichen sein möchtest!«
    Â»Zu all meinem Unglück, Monsieur«, sagte Albert traurig, aber fest, »wollen Sie mich auch noch beleidigen.«
    Â»Wenn du unglücklich bist, dann ist das deine Schuld. Und alles Gefühl des Unglücks bewahrt dich nicht vor der Frage, wovon du leben willst.«
    Â»Sie belieben, mich als einen Phantasten hinzustellen. Ich bin keiner, Monsieur. Ich gestehe, ich habe meine Zukunftspläne auf Ihren Reichtum gebaut. Fünfhunderttausend Francs würden Ihnen wohl kaum Abbruch tun. Mit diesem Betrag könnte ich ein anständiges Leben führen. Ob es auch glücklich sein würde, weiß ich nicht.«
    Â»Und wenn ich dir das Geld nicht gebe?«
    Â»Ich halte Sie für zu gerecht, um mich für einen Fehler büßen zu lassen, den ich nicht begangen habe. Hätten Sie mich nicht als Ihren Sohn ausgegeben, dann wäre ich jetzt in einer guten Stellung. Vielleicht ist es zu spät, jetzt noch in einem Beruf anzufangen. Aber ich werde es versuchen.«
    Â»Und ich dachte, solche Helden gäbe es nur in Romanen und Märchen. Die Gerechtigkeit eines römischen Republikaners und die Härte eines Spartaners vereinigen sich in dir! Was versprichst du dir eigentlich von diesem Theater?«
    Â»Nichts, Monsieur.«
    Der Graf zuckte die Achseln. »Das ist keine Antwort«, sagte er. »Die Abfindung, die du von mir forderst, ist verdächtig gering. Also auch Edelmut mir gegenüber. Und das soll ich dir abkaufen? Du kannst mir nicht weismachen, daß du an der puren Selbstlosigkeit dein Vergnügen findest. Dahinter muß etwas anderes stecken, wirkliche Gründe für deine Großzügigkeit, die ich nicht kenne.«
    Â»Ich habe mich Ihnen offenbart, Monsieur.«
    Â»So willst du auch deine Verbindung mit Mademoiselle d’Arlanges aufgeben? Das wäre vielleicht das einzig Nützliche.«
    Â»Claire kennt bereits meine Lage, und sie will meine Frau werden, was auch immer kommen mag.«
    Â»Kennt auch Madame d’Arlanges die Wendung der Dinge? Glaubst du, sie würde ihre Enkelin einem Herrn Gerdy zur Frau geben?«
    Â»Ich hoffe es, Monsieur. Und wenn sie nicht einwilligt, warten wir, bis sie gestorben ist.«
    Alberts Selbstbewußtsein brachte den Grafen aus der Fassung.
    Â»Du kannst nicht mein Sohn sein!« rief er und sprang aus dem Sessel. »Wer weiß, was für Blut in deinen Adern fließt? Deine Mutter könnte uns da vielleicht auf die Sprünge helfen, vorausgesetzt, sie erinnert sich noch.«
    Â»Das geht zu weit, Monsieur«, wies Albert den Grafen zurecht. »Ich muß Sie bitten, meine Mutter nicht zu beleidigen. Ich bin nicht ihr Richter, und ich erlaube nicht, daß so von ihr gesprochen wird, wie Sie es getan haben. Sie haben das geringste Recht, sie zu verurteilen!«
    Jetzt war der Graf außer sich vor Wut. Vergebens versuchte er, seine Nerven im Zaum zu halten. Er stürzte auf Albert zu, als wollte er ihn packen und zu Boden werfen.
    Â»Aus meinen Augen!« schrie er mit überkippender Stimme. »Geh auf dein Zimmer, und wag es nicht, es ohne Erlaubnis zu verlassen. Wir sprechen uns morgen wieder!«
    Albert ging zur Tür, nachdem er sich kühl und ohne die Augen niederzuschlagen verbeugt hatte. Er hielt noch die Klinke in der Hand, als des Grafen Stimmung schon umschlug. Mit einem Schluchzen in der Stimme sagte er: »Ich muß dich um Verzeihung bitten, Albert. Ich habe eingesehen: Niemand ist würdiger als du, Erbe eines großen Namens zu sein. Albert, gib mir die Hand!«
    Es folgten Minuten des Schweigens, während derer einer des anderen Hand umklammert

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