Der Fall von Katara
dass die Statusanzeige wieder einwandfrei funktionierte. Die Höllenfeuerraketen hatten ein riesengroßes Loch in die Felswand gesprengt. Etliche Steinbrocken und verbogene Metallteile lagen zerstreut herum. Als sie in die Halterungen ihrer Flügel schlüpfte, öffneten sich die Schwingen der Tarnkappenbomberjacke. Die Düsen hatten zwar einen Schlag abbekommen, funktionierten aber noch anstandslos.
Frau Alonis flog über den Trümmerhaufen auf das Loch zu. Ein hellgrauer Schleier aus Granitstaub legte sich über ihren Anzug. Nachdem sie am „Ausgang“ der Himmelswand angekommen war, sah sie am Abendhimmel schon die ersten drei Sterne aufleuchten. Einer davon war VY-Canis-Mayoris (Senior). Er war allein wegen seiner schieren Größe gut zu erkennen. VY-Canis-Mayoris (Senior), der große Bruder von VY-Canis-Majoris (Junior), hatte viele Ähnlichkeiten mit seinem Vorgängermodell. Obwohl der jüngst explodierte Junior in diesem Fall älter als der Senior war, wurde er trotzdem so genannt, weil nach dem frühen Tod des Juniors dessen Sternenmaterial dafür hergenommen wurde, damit der jüngere VY-Canis-Mayoris (Senior) erst erschaffen werden konnte. Dabei lief aber die Zeit rückwärts ab, weil die Schwerkraft so stark war, dass der ältere Juniorstern zum jüngeren und der jüngere Folgestern zum älteren Seniorstern wurden.
Und die anderen beiden beliebten Sterne, die man gleich erkannte, waren Eterraka und Ochlokratia. Diese drei festgefahrenen Fixsterne bildeten eine klassische Sternenkonstellation, nach der man auf Tenemos ganz gut die Uhr stellen konnte. Frau Alonis war nun klar, dass sie viel zu viel Zeit in Gnomopolis verbracht hatte. Sie musste sich jetzt sehr beeilen. Sie ließ sich nach unten fallen und glitt in den Abgrund hinein. Ein angenehmer Luftzug kühlte ihre Stirn.
Wie ein Filzmäusebussard segelte sie auf einer dicken Luftschicht und brauchte somit weniger Treibstoff als in den Höhlen von Gnomopolis. Lediglich wenn sie Flugfehler ausgleichen wollte, benötigte sie noch ein bisschen Düsenschub. Als befähigte Fliegerin brauchte sie bei idealen Wetterverhältnissen wenig ThC, was von allen Umweltpazifisten, Naturtriebhabern, Tierfreunden, Pflanzenverstehern und Flashmob-Aktivisten eingehend begrüßt wurde. Die Schwarze Dame überflog das Malakka-Gebirge und scannte die Umgebung mit ihrem Restlichtverstärker nach brauchbaren Spuren ab. Sie war überglücklich, dass sie aus diesem staubigen Loch herausgekommen war.
„Wo waren Sie die ganze Zeit? Ich werde jetzt einen Jet zu Ihnen schicken, der Sie schnell abholen wird“, dröhnte die Stimme von Kotan Hariri in ihrem Kopf.
„Ich hatte zu tun, Hariri. Was denken Sie denn? Dass ich mich vergnügt habe? Ich musste meinen Begleiter zurücklassen. Die Situation stellte sich komplizierter dar, als wir angenommen haben“, telepathierte sie ihm.
„Wenigstens sind Sie am Leben. Ich habe mir schon das Schlimmste ausgemalt, was mit Ihnen passiert sein könnte. Na gut. Ich bin sehr gespannt auf Ihren Bericht“, telepathierte er zurück und beauftragte seine Leute, die Agentin ausfindig zu machen und abzuholen.
Das erste Mal in ihrem Leben war Frau Alonis erfreut, Kotan Hariris Stimme zu hören. Die starken Sonneneruptionen schienen auf jeden Fall vorbei zu sein, weil die TSB den telepathischen Kontakt zur Denkfabrik wiederhergestellt hatte. Die Brille hatte folglich den Teilchensturm unbeschadet überstanden.
Frau Alonis flog elegant in den flackernden Abendhimmel hinein. Es sah so aus, als würde das gesamte Firmament brennen. Milliarden Partikel des heftigsten Sonnensturms aller Zeiten wurden vom Magnetfeld des Planeten zu den Polen abgelenkt. Die Unmengen an Teilchen bildeten einen farbigen Leuchtring um die Pole. Wie in einer Feuersbrunst loderte eine Wand aus züngelnden Flammen über den Köpfen der Bewohner der nördlichen Breiten. In früheren Zeiten hatten die Menschen geglaubt, dass der Weltuntergang bevorstünde, immer wenn ein solches Ereignis stattgefunden hatte. Meistens artete es auch in einer mittleren Katastrophe aus, weil die Menschen damals diesem Phänomen hilflos gegenüberstanden und alle elektronischen Geräte nach einem Sonnensturm der Kategorie Vier bis Fünf für immer unbrauchbar wurden. Oft waren dadurch auch viele Menschen ums Leben gekommen. Eine verheerende Wirkung dieser gefürchteten Sonnenstürme war auch, dass die Stromnetze für lange Zeit ausfielen, weil man nicht genug Ersatz-Transformatoren auf Lager
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