Der Fall von Katara
fahren wir jetzt gemeinsam in die andere Richtung. Und wehe dir, wir finden den Silberpfeil nicht! Komm mit!“, befahl sie ihm und zerrte ihn am Ärmel zum Fahrrad.
In den Reifen des Fahrrads steckten noch zwei Giftnadeln. Sie zog sie vorsichtig heraus. Es passierte aber nichts. Die Reifen waren immer noch prall mit Luft gefüllt. Das führte bei ihr zu der Annahme, dass entweder Spezialschläuche oder Spezialluft damals verwendet worden war. Auf jeden Fall hatte sie Glück im Unglück, weil das Fahrrad noch straßentauglich war.
„Komm, Nummer Zwei! Ich halte das Fahrrad fest. Steig auf den Sattel!“, sagte sie.
„Was ist das?“, fragte er.
„Das ist ein ganz normales Fahrrad. Du kannst doch mit einem Fahrrad fahren, oder? Du steigst vorne auf den Sattel und trittst! Ich sitze hinten auf dem Gepäckträger und dirigiere den Weg. Wir werden ein gutes Team abgeben. Aber die Musik bestimme ich“, entschied sie und bugsierte ihn auf den Sattel.
Als Rotbert langsam losfuhr, schob sie ihn an und sprang von hinten schnell auf. Er ächzte und stöhnte, gab sich aber nach einer Weile geschlagen, weil es die einzige Möglichkeit war, in dieser Gegend voranzukommen. Die Schwarze Dame stellte wieder ihren Lieblingssender ein und summte etwas verlegen mit. Rotbert gab alles, was in ihm steckte, und beschleunigte das Fahrrad auf fünfundzwanzig Sachen. Doch dieses Tempo hielt er nicht lange durch. Bald ließen seine Kräfte nach, sodass er nur noch im Takt zur Musik keuchte. Irgendetwas schien mit dem Fahrrad nicht zu stimmen, dachte er sich. Es fühlte sich so an, als wäre überhaupt keine Luft in den Schläuchen. Er bekam über den schlecht gefederten Sattel immer wieder heftige Stöße auf sein Steißbein ab. Es wurde schon nach einer Viertelstunde zur unerträglichen Qual. Wahrscheinlich war er nach der Fahrt halbseitig gelähmt und spürte sein Hinterteil für mehrere Tage nicht mehr. Er hoffte sehr, dass er wenigsten aus dem restlichen Wasserstoff im Tank des katarischen Silberpfeils ein paar Wassertropfen herausbekäme, um seinen unbeschreiblichen Durst zu löschen. Seit Stunden hatte er schon nichts mehr getrunken. Wahrscheinlich pinkelte er beim nächsten Mal Granitsteine, wenn er überhaupt jemals wieder sachlich urinieren konnte.
Frau Alonis versuchte, sich den harten Ritt dadurch zu versüßen, dass sie sich jetzt diesen leckeren Apfel gönnen wollte, den sie vorhin in ihrer Tasche entdeckt hatte. Aber so sehr sie auch nach ihm suchte, konnte sie ihn nicht mehr finden. Dafür existierten andere interessante Dinge in ihrer Tasche, die sie vorhin noch nie gesehen hatte. Konnte es sein, dass das LSD noch wirkte? Bestimmt. Es baute sich nicht so schnell ab. Sobald das Adrenalin nachließ, setzte wieder die Wirkung der anderen Droge ein und zog Zeit und Raum unermesslich in die Länge.
Aus den Aktivlautsprechern sprudelten allerlei Farben. Es war eine Odyssee, die sich über mehrere gefühlte Stunden hinzog, bis sie endlich an der Parkbucht herauskamen, wo der kaputte katarische Silberpfeil war. Frau Alonis hastete sofort zum Erste-Hilfe-Kasten und verabreichte sich endlich das ersehnte LSD-Gegengift. Rotbert röchelte und rang nach Luft. Er war froh, nicht mehr strampeln zu müssen. Neugierig tastete er sich am Fahrrad entlang und überprüfte den Reifendruck. Doch zu seinem Erstaunen musste er feststellen, dass die Reifen überhaupt keine Luft mehr enthielten. Die Radmäntel hatten keine Spannung mehr und fühlten sich wie Waschlappen an. Dann war es also doch so, wie er es die ganze Zeit vermutet hatte. Seit Stunden fuhr er nur noch auf den Fahrradfelgen, und genauso hatte es sich auch angefühlt.
Rotbert war ausgelaugt. Was ihn am meisten ärgerte, war die Tatsache, dass er kurz vor der Rente stand, aber trotzdem Höchstarbeit unter dem Ausschluss von Augenlicht leisten musste. Er hätte seine Ex-Chefin am liebsten umgebracht. Allein nur dem einen Umstand geschuldet, dass er den ganzen Weg mit platten Reifen zurücklegen musste und seine betörte Mitfahrerin überhaupt keine Notiz von der ganzen Problematik genommen hatte. Hoffentlich war jetzt sein Auftrag erledigt, damit er endlich nach Hause zu seiner Schwiegermutter gehen durfte. Plötzlich wurde er heftig durchgeschüttelt. Was war das? Ein Erdbeben? Nein, das war seine Ex-Chefin, die ihn durchschüttelte.
„Wo, zum Henker, ist die zweite Tarnkappenbomberjacke?“, schrie sie ihn an.
„Ich habe sie hinter dem Sitz versteckt, damit sie nicht
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