Der Fall von Katara
für den katarischen Heimatschutz waren. Auch war Frau Alonis nicht ganz klar, wie dieser Zardosch unbemerkt am katarischen Abschirmdienst vorbeigekommen war. Aber wenn sie bedachte, dass die Yakkis eine viel weiter entwickelte Technologie hatten, als sie selbst zu Protokoll gaben, dann wäre alles denkbar. Vermutlich wäre sogar die nationale Sicherheit in Gefahr, wenn daran nur ein Quäntchen Wahrheit wäre.
An die Theorie des Maulwurfs glaubte Frau Alonis nicht, da sie selbst für die Personalfragen zuständig war und alle Mitarbeiter auf Herz und Nieren überprüfen ließ. Sie wurden permanent observiert und mussten regelmäßig zur Kontrolle, sodass man deren Gepflogenheiten lückenlos kannte. Zum einen wurden tagsüber deren intimsten Handlungen bis aufs Peinlichste überwacht, und zum anderen wurden nachts deren Träume auf Band aufgezeichnet und anschließend von geschulten Traumpsychologen gedeutet.
Frau Alonis hatte eher den Verdacht, dass Informationen durch das Gesundheitsversorgungsamt gesickert sein mussten, weil dort gladschbasische Raschänder arbeiteten. Raschänder waren billige Leiharbeiter aus Gladschbasien, die für einen Hungerlohn ausgebeutet und von Amt zu Amt weitergereicht wurden. Raschänder hatten kaum Rechte, weil Gladschbasien absichtlich nicht dem Bund Konföderierter Staaten von Poligäa beigetreten war, um seine Souveränität beizubehalten. Gladschbasien war daraufhin wegen seiner Freiheitsbestrebungen von den anderen Staaten hart bestraft worden, indem ein Handelsembargo über Gladschbasien verhängt worden war mit der unlauteren Absicht, das Land herunterzuwirtschaften und auszuhungern. Durch diese missliche Lage waren die Raschänder in einen Bürgerkrieg geraten, der die Bevölkerungsschichten gegeneinander aufgebracht hatte. Die meisten autoaggressiven Raschänder, die sich nicht am Kriegsgeschehen beteiligt hatten, endeten später im Alkoholismus oder gaben sich gänzlich auf. Erschwerend kam noch hinzu, dass die wenigen Überlebenden dieses Bürgerkriegs vorwiegend Insassen psychiatrischer Anstalten gewesen waren. Die Patienten hatten eines schönen Tages den Freien Anrainerstaat von Gladschbasien ausgerufen, mit dem Ziel, jeden Bürger glücklich und zufrieden zu machen. Jedoch hatten sie damit ihr Todesurteil unterschrieben, sodass die provozierte Terminierung nicht lange auf sich warten ließ.
Gladschbasien war von Katara in kürzester Zeit dem Erdboden gleichgemacht worden, sodass daraufhin die rebellischen Raschänder wachsweich waren und als Ein-Euro-Jobber oder Leiharbeiter an den Meistbietenden vermittelt werden konnten. Aus diesem Grund hatten die Raschänder Katara ewige Rache geschworen und bisher keinen Versuch unterlassen, dieses System zu unterhöhlen, indem sie alles ausplauderten, was sie in Erfahrung bringen konnten. (Übrigens gründeten die unbelehrbaren Raschänder, die damals aus dem Inferno herausgezogen worden waren, wieder psychiatrische Anstalten in dem ausgebrannten Gladschbasien, aber spezialisierten sich diesmal auf Vormittagssitzkreise, anstatt sich zu weit aus dem Fester zu lehnen.)
Frau Alonis war mittlerweile in der Toilette, stand neben dem kleinen Kippfenster und rauchte eine Gesundheitszigarette nach der anderen. Sie wollte schon lange damit aufhören und stattdessen lieber Sport betreiben, jedoch kannte sie wenige Sportarten, die sie in einer Vier-Quadratmeter-Damentoilette verletzungsfrei ausüben konnte. Leider musste sie sich heute eingestehen, dass es manchmal Tage gab, an denen nichts klappen wollte. Dann bekam sie plötzlich eine Kurznachricht einen halben Meter vor ihrem Auge holografiert, dass in der Zentrale der Denkfabrik im ersten Stock eine Sondersitzung einberufen wurde, um den Fall Erek Misrati eingehend zu erörtern, und dass ihre Anwesenheit erwünscht war. Die Kurznachricht kam vom Abteilungsleiter dieser denkwürdigen Institution, von Doktor Pomase selbst. „Mist, der Doktor!“, sagte sie sich, als sie die Klospülung zog und ihre Zigarettenstummel verschwinden ließ.
Anschließend ging sie in ihr Büro, holte die Akte „Misrati“ und lief die Treppe hinunter, um in den unterirdischen Gang zu kommen, der alle Ämter und staatliche Einrichtungen wie ein engmaschiges Pilzgeflecht verband. Diese Räume dienten auch als Notunterkunft bei Sonnenstürmen und anderen oberirdischen Katastrophen, von denen es oft zu viele gab. Doch die einzige Katastrophe, die Frau Alonis heute wahrnahm, war das Versagen der
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