Der Fall von Katara
sich im Malakka-Gebirge einzufinden hatten, damit sie permanent feuchte Bedingungen vorfanden. Dieser Vorgang wechselte zweimal am Tag. Deswegen war man jeden Morgen mit großen Schwärmen von Zug-Egeln konfrontiert, die vom nordöstlichen Teil des Gebirges in den südwestlichen Teil vor der Sonne flüchteten, um am frühen Nachmittag wieder retour nach Nordosten zu fliegen, sobald die Sonne begann, die Feuchtgebiete in und um Negiduland trockenzulegen. Die Sturmschwalben waren auf jeden Fall hocherfreut über diesen kleinen Snack am Nachmittag, weil sie ständig Nahrung brauchten, um ihre komplizierten Flugkünste aufrechtzuerhalten. Gegen starke Strahlung und andere Anfeindungen waren auch sie immun.
Bei Weichtieren und Säugern verhielt es sich anders. Weichtiere wie Zug-Egel, Pfützenmolche oder Speisefrösche gehörten zur Großfamilie der Schattenflüchtler, wohingegen die Sturmschwalben zur Großfamilie der Sonnenbadler gehörten, wie zum Beispiel auch der Sandfüßler, der Stielaugenwaran, der Leistenfuchs, die Siriusschnecke, die gemeine Staubratte oder der Sonnenbadler selbst.
Zardosch und Erek bogen in einen Seitenweg des ausgedehnten Stadtparks ein, auf dem ihnen ein Fußgänger entgegenkam. Man grüßte sich, obwohl man sich nicht kannte. Das war so Brauch in Negidu. Dann kamen sie an einen kleinen Bach, der Richtung Osten führte. Die Vegetation wurde immer dichter. Der Boden bestand lediglich aus Presserde, die vor einer Stunde noch feucht war, jetzt aber mit der Sonneneinstrahlung schnell austrocknete, sodass viele kleine, vom Schlamm verwöhnte Dreckfische zehn Meter tiefer tauchen mussten, um im feuchten Permadreckboden die heißen Nachmittagsstunden unbeschadet überstehen zu können. Erst am Abend schwömmen sie wieder nach oben, um einerseits Luft zu holen, und andererseits die verbrauchten Energiereserven wieder aufzufüllen. Ihre Nahrung bestand vorwiegend aus genetischen Hinterlassenschaften, also aus Haaren, Hautschuppen und anderen „Leckereien“.
Im klaren Wasser des Baches sah Erek flach geschliffene Granitsteine, zwischen denen bunte Flusskrebse herumkrabbelten. Am Rand des Baches wuchsen jede Menge Rauschkräuter, Mühlfarne und Klapperpflanzen, wohingegen vereinzelt blaue Wasseragaven mit orangefarbene Blüten in der schwachen Strömung erhaben standen und ihre Wurzeln fest ins Flussbett gruben. Unbekannte Gerüche umschmeichelten Ereks Nase. Der feine Duft von süßem Nektar, der von Blüten mit schillernden Farben ausgesandt wurde, belebte seine Sinne. Schwammbaumorchideen lockten damit ihre Bestäuber an, die sich in Scharen einfanden. Man nannte sie Kolikikis. Sie hatten ellenlange Saugrüssel, mit denen sie um die besten Blüten fochten.
Erek konnte auch einen lieblichen Geruch von Zuckerbällchen wahrnehmen. Das waren die Blütenpollen der Zuckerbäume, die in bauschigen Wölkchen durch die Lüfte flogen und ein Aroma von konzentrierter Himmelbeer-Marmelade verströmten. Kurz bevor die ersten Regenmassen auf Negidu niedergehen sollten, mussten diese fliegenden, äußerst schmackhaften Zuckerbällchen, die Zigtausende süße Samen von Zuckerbäumen enthielten, den Weg einer komplizierten Nahrungskette beschreiten. So sollte man tunlichst darauf achten, noch ein paar Zuckerbällchen für den Privatverzehr am besten mit einem handelsüblichen Köcher einzufangen, bevor wieder Massen an Eintagszuckerschrecken über das Land hereinfallen und die nahrhaften Zuckerbällchen vertilgen würden. Die Eintagszuckerschrecken lebten zwar nur einen Tag, vermehrten sich aber sekündlich, sodass sie regelrecht zur Plage wurden. Diese Eintagszuckerschrecken ernährten sich ausschließlich von jenen delikaten Zuckerbällchen und waren selbst ein Leckerbissen für andere Tiere, da sie auf der Speisekarte von Wochen-Enten, geflügelten Stielaugen-Waranen und malakkischen Spring-Katzen standen.
Erek wanderte gedankenversunken durch die fabelhafte Welt von Negidu, bis sie an einen Hain mit Labusterbeerbäumen angelangten, wo schon die saftigsten Labusterbeeren in den prallsten Trauben herunterhingen. Sie reizten die Geschmacksnerven bis aufs Äußerste und waren dennoch ungenießbar.
„Wie lange dauert es noch, bis wir beim Hohen Rat von Negidu angekommen sind?“, wollte Erek ungeduldig wissen.
„Der Hohe Rat von Nigidu macht erst am Abend wieder auf, wenn es etwas kühler geworden ist. Wir können die Zeit solange in einer Gaststätte verbringen. Ich kenne eine gemütliche Kneipe, in der
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