Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fall von Katara

Der Fall von Katara

Titel: Der Fall von Katara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theo L. Wuldt
Vom Netzwerk:
Uhr eintreffenden Sonnensturm. Erek stellte fest, dass sie noch eine halbe Stunde Zeit übrig hatten. Auf jeden Fall würden die TSBs bei einem tatsächlich stattfindenden Sonnensturm eine Viertelstunde vor dem Eintreffen der Primärteilchen auf Tenemos Alarm schlagen können, falls sie es überhaupt rechtzeitig schafften, weil die ausgestoßenen Sonnenpartikel unheimlich schnell unterwegs waren. Die Primärteilchen, die von einem Sonnensturm ausgingen, würden fast Lichtgeschwindigkeit erreichen. Spätesten die Sekundärteilchen eines koronalen Massenauswurfes, die etwa zwanzig Minuten später einträfen, würden die TSBs für immer unbrauchbar machen, wenn man sie nicht in Strahlenschutzfolie verpackte. Sobald auf die Sekundärteilchen die Tertiärteilchen folgten, müssten sich Mensch und Brille schnell hinter strahlengeschützten Mauern verstecken. Praktischerweise konnte man sich fast immer auf die Prognosen der Weltraumwetter-Überwachungssysteme verlassen, sodass man gut vorbereitet war. Es konnte jedoch passieren, dass eine Vorhersage auch einmal nicht zutraf. Erek hatte noch nie einen solchen starken Sonnensturm zu Lebzeiten mitbekommen. Angeblich käme es dann sogar noch in den gemäßigten Breiten zu Polarlichtern. Negidu lag auf dem dreiundzwanzigsten Breitengrad der nördlichen Hemisphäre von Poligäa. Es könnte sogar hier ein beispielloses Lichtspektakel am Himmel geben, hieß es in den Medien.
    Da Ereks Sicht jetzt immer dunkler wurde, schob er die Brille hoch auf die Stirn und konzentrierte sich auf den Weg. Der Boden war mit Schotter aufgefüllt. Die spitzen Steine gaben zwar halt, piksten aber an den Fußsohlen. Viele kleine Bäche suchten plätschernd ihren Weg. Die Himmelswand war mittlerweile so groß angewachsen, dass man oben kein Ende mehr sah, und obwohl die Sonne schien, war die Gegend ziemlich schattig, dicht bewaldet und unermesslich fruchtbar.
    Vollgesogene Schwammbäume bogen sich unter der Last ihrer nassen Fracht. Sie bildeten zwar eine solide Vegetationsmittelschicht, worauf das gemeine Unkraut aufbauen konnte, aber die oberste Schicht des Waldes war nur den Spezialisten unter den Pflanzen vorbehalten. Letztere waren hochwüchsige, stark untereinander konkurrierende Bäume, die strahlenabweisende Eigenschaften besaßen, dadurch dass sie mit ihren reflektierenden Blättern das Sonnenlicht zurückwarfen. So beugten sie praktischerweise auch der Klimaerwärmung vor. Überall, wo sie wuchsen, legte sich ein nebeliger Schleier über den Himmel. Es gab jede Menge Silberquasten-Eschen mit Spannweiten von über fünfzig Metern, und massive Eisenhutbäume, die ihre schweren Glocken im Wind hängen ließen. Ebenso thronten wohlgenährte Fresskastanien im Dickicht, weil sie hier ein reichhaltiges Nahrungsangebot vorfanden. Die seltsamsten Gewächse waren in beachtlicher Vielzahl vorhanden. Erek sah wurmartige Fuchsbäume, tollwütige Kirschbäume, hinterhältige Würgefeigen und gemeine Kopfnusspalmen.
    Diese Gewächse waren noch harmlos im Vergleich zu den Geschöpfen, die tief in ihrem Inneren wohnten. Grüne Blätterskorpione, Nierenbeißer, Brunzhummeln oder Mörderspinnen konnten mit ihren Stacheln ein schnell wirksames tödliches Gift injizieren. Auch sollte man einen großen Bogen um diese angeblich so niedlichen Fuchsbaumhörnchen machen, weil sie allein mit ihren scharfen Blicken töten konnten. Das war aber alles nichts gegen eine Horde Tollwutkäfer, die sich blitzschnell auf ihre Opfer stürzten, um so Angst und Schrecken zwischen den Kirschen zu verbreiteten. Deswegen konnte man von Glück sprechen, wenn lediglich ein paar gemeine Spucknattern ihr Unwesen trieben, wie es heute der Fall war.
    Zardosch verlangsamte seine Schritte, woraufhin sich Erek bald am Ziel wähnte. Aus dem Schotterboden war zwischenzeitlich ein Holzweg geworden. Einige Meter liefen sie nun über knarrende Bretter, bis sie an eine lange Brücke kamen, die über mehrere Rinnsale führte. Sie hatte einen leichten Anstieg und endete in einer langen Höhle aus verschnörkelten Fuchsbäumen, die sich an der Himmelswand räkelten und ein natürliches Dach boten.
    Nur mit schweren Gerätschaften konnten diese widrigen Gewächse, deren Wurzeln tief in den Permadreckboden hinunterreichten, gebändigt werden. Durch diese stelzenartigen Wurzelverbindungen bekam der seichte Untergrund, auf dem die Grenzstadt Negidu errichtet war, einen guten Halt gegen Bodenverflüssigung, die bei jedem starken Erdbeben auftreten konnte.

Weitere Kostenlose Bücher