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Der Fall von Katara

Der Fall von Katara

Titel: Der Fall von Katara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theo L. Wuldt
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sie den vermeintlichen Weg zu ihrem katarischen Silberpfeil ein und ließ sich nur von ihrem Bauchgefühl leiten. Als sie in Kindheitserinnerungen schwelgte, machte sie die freudige Entdeckung, dass das Fahrrad sogar eine mechanische Klingel hatte. Alles in allem war sie sehr zufrieden mit diesem Modell.
    Es war ein alternativloses Ein-Gang-Straßenfeger-Fahrrad mit Bauchnabelschaltung, Höhenflugruder, hydraulischen Schuldenbremsen, negativer Denkkraftunterstützung und einem monothematischen Kurzwellenempfänger. Etwas erregt schaltete sie das Radio ein und suchte einen passenden Sender. Mit dem Negidu-Neoklassik-Programm konnte sie aber nicht so viel anfangen. Auch „Negidu-Techno“ erschien ihr ein bisschen zu fade, und nicht einmal der Negidu-Diskussionsrunden-Sender traf den morbiden Geschmack der Schwarzen Dame.
    Ebenso verabscheute sie Negidu-Kochindoktrinations-Programme, wie Zurück-zu-den-Wurzeln, Spiel-nicht-mit-dem-Brot oder Ähnliches, weil es nur Plagiate der echten katarischen Kochorgien waren, die die höchsten Einschaltquoten weltweit erreichten. Frau Alonis hatte jedoch an der Sondersendung „Die-Rockende-Tolle: Hanf-und-Schmalz-Gott-Erhalts“ nichts auszusetzen und ließ sich von der Musik berieseln. Wildeste Gitarrenriffs schepperten zu eintönigen Schlägen auf Biomülltonnen, unterlegt von den hopsenden Bassläufen einer gängigen Melodie.
    „Schatz, bitte geh nicht nach Negidu, weil ich dich doch lieb, du. Schatz, bitte geh nicht!“, sang sie mit, während sie im Takt dazu klingelte. Sie war zwar eine schlechte Sängerin, aber davon überzeugt, dass niemand sie hörte, bis auf ein paar Filzmäuse und Schwanzratten, die sich hier oben in den Löchern verkrochen hatten. Doch sie zählten jetzt nicht.
    Mit beachtlicher Geschwindigkeit radelte Frau Alonis die Höhlenstraße hinunter, als sie in ihrem Scheinwerferlicht am Ende des langen Ganges einen kleinen schwarzen Punkt erkennen konnte, der immer größer wurde. Eine Gestalt schien ihr entgegenzulaufen. Von Weitem konnte sie schon an der Kluft den Ex-Drohnenkämpfer Rotbert Gurgamel Hänsen identifizieren, der sich in der Mitte des Weges aufhielt und die Arme weit von sich streckte, anstatt an der Wand zu laufen, wie es sich für einen Fußgänger gehörte.
    „Auffälliger geht es wohl nicht?“, meckerte sie und klingelte mehrmals laut.
    Rotbert sprang wie ein aufgescheuchtes Huhn zur Seite und blieb verunsichert stehen. Mit seiner Not-Ersatzaugenbrille konnte er vage etwas auf sich zukommen sehen. Er wollte höflich grüßen, wurde jedoch eines Besseren belehrt.
    „Du läufst in die falsche Richtung, Nummer Zwei. Dort ist das Plagiatoren-Viertel. Das ist eine Sackgasse. Du musst umdrehen und ins Zensurviertel gehen“, schrie sie ihm hinterher, obwohl ihr nicht ganz klar war, dass das Plagiatoren-Viertel und das Zensurviertel ein und dasselbe Viertel waren.
    „Chefin? Frau A...?“, rief er in ihre Richtung.
    „Keine Namen!“, brüllte sie mit tiefer, verstellter Stimme und räusperte sich etwas, während sie scheppernd weiterfuhr. „Vollidiot!“, schrie sie ihm später noch hinterher, als sie schon weiter weg war. Sie vermutete, dass der katarische Silberpfeil ganz in der Nähe sein musste, weil Rotbert in seiner Eigenschaft als Blindgänger nicht besonders weit gekommen sein konnte. Also legte sie noch einen Zahn zu und stieg ehrgeizig in die Pedale. Die Straße schien nicht enden zu wollen, und sie war nur eine von Tausenden von Straßen in Gnomopolis. Frau Alonis hatte die Größe dieser Höhlenstadt unterschätzt, und die dicke Überraschung kam später am Ende des Weges, als ihr gewahr wurde, dass all das Radeln nichts gebracht hatte, weil sie wieder genau an derselben Stelle herauskam, von wo aus sie gestartet war. Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Doch eines war nun sicher. Sie hatte sich die Lunge aus dem Leib gestrampelt, um wieder auf dem Gutzwerg-Platz herauszukommen.
    „Welch sinnlose Verschwendung von Energie“, dachte sie sich, stieg verwirrt vom Rad und schob es ein Stückchen. Sie lief auf den Platz und erkannte die Büste von dem Gutzwerg wieder. Vorhin war das Gesicht weg, und jetzt war es auf einmal wieder da. Raum, Zeit und Logik schienen sich in dem Höhlensystem aufzulösen. Oder hatte sie lediglich die falsche Straße genommen? Hatte sie aus Versehen die Höhlenringstraße eingeschlagen, die auch an dieser Stelle vorbeiführte? Das konnte auch sein.
    Sie lehnte das Fahrrad an die Büste

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