Der Fall von Katara
Stimme.
Frau Alonis schaute neben sich und musste feststellen, dass ihr Gesprächspartner weg war. Das war ein Ding der Unmöglichkeit. Keine Spur, keine Rauchwolke und kein Kobayaschy waren mehr zu sehen. Diesmal glaubte sie ihm aber nicht, dass er nur Gesundheitszigaretten holen wollte. Das Ganze erschien ihr sehr merkwürdig. Sie packte ihre Saumagentasche, ging verträumt zum Fahrrad und radelte in die entgegengesetzte Richtung, aus der sie gekommen war.
„Diesmal muss es klappen“, sagte sie sich aufmunternd und trat wie besessen in die Pedale. Das Fahrrad setzte sich quietschend und knarrend mit der Situation auseinander. Die Schwarze Dame befand sich auf einer Straße, die ihrer Meinung nach die richtige war. Also fuhr sie immer weiter. Dann erblickte sie am Horizont wieder eine dunkle Gestalt mitten auf dem Weg herumlaufen. Als sie auf Sichtweite war, traute sie ihren Augen nicht mehr. Es war schon wieder Rotbert Gurgamel Hänsen. Jetzt schlug es dreizehn auf ihrer biologischen Uhr. Frau Alonis klingelte Sturm, als sie an Rotbert vorbeifuhr. Sie erklärte ihm lautstark, dass er wieder in die falsche Richtung lief, und schüttelte dabei verständnislos den Kopf.
Plötzlich bekam sie eine Eingebung, dass hier etwas nicht stimmte. Sie vermutete, dass sie sich getäuscht hatte und selbst in die falsche Richtung fuhr. Ihr kam es auf jeden Fall so vor, als wäre sie schon dreimal an derselben Stelle vorbeigekommen und das sprach eindeutig gegen ihren Orientierungssinn, auf den sie sich bisher immer verlassen konnte. Wenn es mit ihrem Urteilsvermögen so weiterginge, könnte sie sich bald selbst auf den Mond schießen lassen, sagte sie sich im Stillen. Sie gab dem Drahtesel herzlos die Sporen und hatte kaum mehr Mitleid für den geschundenen Rahmen.
Auf einmal spürte sie wieder einen heftigen Schub des Drogenrausches, in dem sie auf ewig gefangen zu sein schien. Sie war sich nun sicher, dass sie eine Über-Überdosis LSD abbekommen haben musste. Es durfte ihr aber nichts ausmachen, weil sie die geeignetste Person für diesen Fall war. Sie hatte jahrelang hart trainiert und musste sich damals in der Grundausbildung jeden Morgen LSD-Honig aufs Butterbrot schmieren. Dieser Zustand währte ein Jahr lang an und war die letzte Prüfung der Seeigel-Einheit, in der nur die besten Elite-Kämpfer des Landes ausgebildet wurden. Von ungefähr hundert Bewerbern kamen zwei ohne größeren Dachschaden durch. Sie war eine davon. Im Fach LSD-Schlucken war sie zwar die Klassenbeste, aber anscheinend hatte es ihrem Bewusstsein nicht viel gebracht.
„Naja, für irgendetwas wird es schon gut gewesen sein“, dachte sie sich, als sie das Ende der Straße erreicht hatte. Aber als sie anfing, die Situation zu realisieren, glaubte sie spätestens jetzt, dass sie dem Wahnsinn verfallen war. Sie rieb sich die Augen aus dem Kopf. Vor ihr lag schon wieder der Gutzwerg-Platz mit der wandelbaren Büste, und dort drüben unter den Steineichen lagen auf der Bank die Essensreste, die sie vorhin zurückgelassen hatte.
Die Schwarze Dame machte verärgert das Radio aus und stieg verwirrt vom Sattel herunter. Sie lief auf die Bank zu, wobei das Fahrrad scheppernd umfiel und liegen blieb, weil sie vergessen hatte, den Ständer auszuklappen. Sie setzte sich auf die Bank, grübelte etwas nach und sah sich um. Es war aber niemand zu sehen. Sie kramte in ihrer Tasche und holte den Biofeld-Detektor heraus. Sie wollte die Umgebung nach Kobayaschys DNA absuchen. Sie hatte seinen vollständig entschlüsselten Gen-Code immer versteckt bei sich. Wenn es wirklich Großmeister Don Kobayaschy war, dann müsste das Gerät anschlagen. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Er war es oder er war es nicht.
Sie aktivierte also ihren unsichtbaren Totenkopfring, der Kobayaschys DNA auf einem Speicherchip enthielt. Niemand sonst auf der Welt hatte diese Information. Sie nahm den Speicherchip heraus, steckte ihn in die Vorrichtung am Biofeld-Detektor, damit die Daten abgelesen werden konnten, und verstaute danach den äußerst wertvollen Speicherchip in ihrem Totenkopfring. Als sie den Deckel des Rings schloss, wurde das Schmuckstück wieder unsichtbar.
Nachdem Frau Alonis mehrere Bänke gescannt hatte, kam es ihr so vor, als wäre jemand auf der Bank, die sie kurz vorher kontrolliert hatte, erschienen. Sie drehte sich schnell um und erkannte wieder diesen Gutzwerg auf der Bank sitzen. Doch ein drittes Mal ließ sie sich nicht mehr in die Irre führen.
„O.K., MUTTER!
Weitere Kostenlose Bücher