Der Fall Zamar (German Edition)
Teilnehmerinnen in die Umkleideräume. Madea blieb noch bei ihrem Trainer. Er hatte heute wieder Zeit, ihr noch andere brauchbare Fähigkeiten beizubringen, die sicher nicht ganz legal waren, aber wirksam. So zeigte er ihr in den letzten Wochen, wie sie sich mit Messern verteidigen kann und zielsicher werfen muss, um einen Gegner außer Gefecht zu setzen. Sie lernte von ihm, dass viele Gegenstände aus dem Alltag für Angriff und Verteidigung nutzbar sind. Schlüssel, Gabeln, Schirme, Scheren, Kulis und ähnliche Objekte sind Waffen, selbst ein weiblicher Hackenschuh kann schmerzhaft sein. In Notsituationen müssen die Dinge nur anders betrachtet werden. Madea fragte ihn beim letzten Mal, ob er weiß, wie man verschlossene Türen öffnen kann. Er hatte nicht gleich geantwortet. Aber heute zeigte er ihr, wie sie Schlösser mit den verschiedensten Hilfsmitteln knacken kann.
Immer öfter saßen sie nach dem Training zusammen an der Vitaminbar seines Fitnesscenters und erzählten von ihren Erlebnissen. Mike wurde ihr immer vertrauter, und das half Madea auch, von dem Vorurteil loszukommen, dass alle männlichen Amerikaner in ihrer patriotischen Sichtweise so stark eingeschränkt sind, dass sie nur noch Terroristen in ausländischen Islamisten erkennen. Auch wenn kaum einer weiß, dass sie Irakerin ist, nur Maggie und Mike sind wissend um ihre Herkunft, trägt sie immer noch ein Angstgefühl mit sich herum. Aber von diesem Gedanken möchte sie sich loslösen. Bisher hatte sie noch nicht allzu großen Kontakt mit anderen Leuten, eben nur die Professoren und natürlich Maggie und Mike. Sie wurde schon einige Male von jungen Männern angesprochen, aber in einer Weise, die ihr eher Angst machten und ihr befremdlich waren. An diese lockere und legere Lebensweise hatte sie sich nun aber schon gewöhnt.
„Komm, ich gebe dir einen Drink aus“, meinte Mike zu Madea. Und dann wandte er sich zu seiner Angestellten an der Bar: „Das Getränk geht aufs Haus, also zwei große Vitaminmixgetränke.“
„Danke, aber ich habe doch Geld. Das ist sehr nett von dir“, sagte Madea.
„Und daran kannst du dich ruhig gewöhnen“, Mike ignorierte einfach ihren Einwand, „alle anderen Amerikaner sind auch nett. Bis auf ein paar Ausnahmen. Aber ich glaube, dass die gerade nicht in der Stadt sind, und wenn doch, dann im Gefängnis.“ Er schmunzelt, und Madea musste lachen.
„Du hast wohl recht, ich sollte positiv denken. Ich glaube aber, dass ich mich schon sehr geändert habe, seitdem ich hier in den USA bin.“
„Natürlich hast du dich verändert, du bist viel selbstbewusster in den paar Wochen geworden. Aber ich schätze dich so ein, dass du in deiner Heimat schon sehr selbstsicher warst. Als du nun den anderen Kontinent betreten hast, konntest du das beklemmende Gefühl nicht loswerden, dass die US-Boys nicht nett zu dir sind, was auch immer der Grund sein mag.“
„Mir kommen eben noch zu viele Bilder vom Krieg in den Sinn, das Leid in der Bevölkerung, zu viele Tote, egal ob es Schiiten, Sunniten oder Kurden waren“, erwiderte Madea. „Es ist auf jeden Fall verkehrt, alle Amerikaner schuldig zu sprechen und für den Krieg verantwortlich machen. Ich weiß, wie jeder andere auch, dass nur ein paar Köpfe in der Regierung die Kugel ins Rollen bringen. Und was der Präsident sagt, wird gemacht. Man sollte nicht unerwähnt lassen, dass auch viele amerikanische Mütter ihre Söhne dort verloren haben. Natürlich fühlte ich mich in meiner Heimat stark und selbstbewusst, war ich jedenfalls immer der Meinung. Aber immer spürte man ein beklemmendes Gefühl im Körper, wenn man auf die Straße ging. Das aber nicht nur, wenn die US-Soldaten vor Ort waren, sondern auch wenn die militanten Islamisten und sonstige Gruppen um die Häuser schlichen.“
Die zwei Drinks waren jetzt fertig, und sie genossen beide die frisch gepressten Fruchtsäfte.
„Ich war auch einmal im Irak“, erzählte er nun etwas zögerlich. „Damals, 1991, war ich bei der Operation ‚Dessert Storm‘ dabei.“
Madea schaute ihn jetzt sehr interessiert an.
„Von Kuwait sind wir in das Land eingedrungen. Ich war genau wie alle anderen Soldaten davon überzeugt, dass wir das Richtige tun. Je länger wir aber auf dem Schlachtfeld blieben, umso sinnloser erschien uns das Ganze. Heute weiß ich, dass es im Ersten Golfkrieg auch nur um die Bodenschätze, um das Öl ging.“
Mike sah Madea nur an. Welche Reaktion kam jetzt von ihr? Sollte er weitersprechen oder
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