Der Fall Zamar (German Edition)
doch besser das Thema beenden? Schnell erkannte er an ihrem offenherzigen Gesichtsausdruck, dass er doch mehr berichten soll.
„Wir kamen durch abgelegene Dörfer, wo man meinen konnte, hier sei die Welt stehen geblieben. Der Krieg zerrte an allen, es gab kaum Wasser und Nahrung, Strom war eine Seltenheit, wenn die Leute überhaupt schon an das Versorgungsnetz angeschlossen waren. Hussein steckte alle Kraft in den Krieg. Wir waren entschlossen, etwas zu ändern. Wir wollten auch den Menschen in der Region helfen, nicht nur Zerstörung und Leid bringen. Aber viele von uns erkannten damals erst sehr spät, dass es eher um die Macht des Öls ging. Irgendwie sah ich keinen Sinn mehr in meinem Dienst bei der Armee, deshalb bin ich dann auch ins Zivilleben zurückgekehrt. Ich glaube, dass ich deswegen kein schlechter Mensch bin.“
„Natürlich nicht“, warf Madea ein. „Der Krieg hat dich nur klüger gemacht. Du weißt, dass es im Irak nicht nur Terroristen und andere böse Buben gibt, sondern auch einfache Menschen, wie mich. Aber hier kennen viele nur die Bilder aus den Nachrichten.“
„Ja, weil es geschönt oder falsch dargestellt wird“, gab Mike ihr recht. „Gegenüber der Presse durften wir Soldaten keinerlei Auskunft geben, über die Pressestelle wurden nur die Informationen und Nachrichten herausgegeben, die auch die amerikanische Bevölkerung hören wollte und sollte.
Madea nahm einen Schluck aus ihrem Glas. „Ich habe mich mit einigen Soldaten sogar sehr nett unterhalten, aber es gab eben auch einige schädliche Ausnahmen.“
„Ja, das ist richtig. Es gab auch Kameraden, die gegen das Völkerrecht verstoßen haben.“
„So, jetzt muss ich aber los“, schloss Madea schnell, aber herzlich an seine Worte an. Da sie befürchtete, er könnte über gesetzbrechende Soldaten noch ausschweifender erzählen, leitete sie Mike geschickt von dem Thema ab. Sie hätte es nicht ertragen können.
„Es war sehr lieb von dir, mir einen Platz in deinem Tag zugeben, damit ich von dir lernen kann.“ Sie trank ihr Glas leer.
„Ich freue mich doch, wenn du hier bist und die Sonne strahlen lässt“, sinnierte Mike.
„Die Sonne scheint bestimmt auch ohne mich.“ Sie nahm ihre Sporttasche zur Hand.
„Ja, sicher, aber nicht so hell.“
Madea lächelte. „Also, bis zum nächsten Mal.“
Auf dem Weg zur Tür hinaus, wurde ihr wieder sehr bewusst, wie viel Glück sie damit hatte, Mike als Trainer und guten Freund gefunden zu haben.
Die Uhr an ihrem Handgelenk zeigte 22.06 Uhr an, als Madea aus dem Bus stieg, der sie in die Innenstadt von Atlanta brachte. Kurz zuvor, als sie noch im Bus saß, zweifelte sie über ihr Unternehmen. Zu fortgeschrittener Stunde als Frau allein in eine Bar zu gehen, die nicht die nobelste ist und auch sonst nicht den besten Ruf hat, könnte eventuell unangenehm werden. Aber sie wusste sich sonst keinen Rat. Für Notfälle mit handgreiflichen Männern hat sie sich ein Springmesser in die Handtasche und in die Hosentasche gesteckt. Sie nahm ihren Mut zusammen mit der Überlegung, dass sie bei Mike unter anderem auch für diese Situationen trainiert hat.
Allerdings fürchtete Madea nicht nur die Männer in den verwegenen Bars, sondern auch eventuelle Beobachter des Staates. Zwar entdeckte sie noch keinerlei Anzeichen für eine Überwachung irgendeiner Behörde wie FBI oder CIA. Dennoch wollte sie kein Risiko eingehen. Immerhin sollte man meinen, dass Observationsspezialisten ihr Handwerk verstehen und nicht erkannt werden.
Madea war unauffällig gekleidet: eine schwarze Hose mit einer grauen Bluse. Dazu trug sie schwarze flache Schuhe. Sie wollte nicht unnötig Männerblicke auf sich ziehen, deshalb entschied sie sich für ein schlichtes und bescheidenes Auftreten. Da der Abend kühl war, hatte sie sich noch eine schwarze Jeansjacke übergezogen. Selbst in diesem Outfit verlor sie nichts von ihrer netten und attraktiven Erscheinung.
Auf welche Dinge man achten muss, welche Tricks man anwenden kann, um einer Überwachung zu entgehen, hat Madea in einigen Büchern gelesen. Auch jetzt will sie die Sicherheit beibehalten. Deshalb entschied sie sich, weiter durch die Straßen zu laufen. Dabei blieb sie vor Schaufenstern stehen, um die Auslagen zu betrachten. Es war um diese Zeit nicht unüblich, einen abendlichen Bummel durch das Zentrum zu machen, viele verliebte Pärchen traf man an. Allerdings hielt sie in den Spiegelbildern der Fenster Ausschau nach auffälligen Personen. Durch
Weitere Kostenlose Bücher