Der Fall
unteres Schloss, unteres Schloss, dachte er, während er nach dem Schlüssel kramte. Als er ihn schließlich ins Schloss schob und nach links drehte, klemmte er. Verdammt, nicht ausgerechnet jetzt! Geh schon auf, du blödes Vorkriegsding von einem – Plötzlich schnappte das Schloss zurück, die Tür flog auf, und Jared stolperte in die Wohnung. Er warf die Tür zu und spähte durch den Spion. Der Mann auf der Treppe war Chris Guttman, der im zweiten Stock wohnte.
Wütend über seine paranoide Reaktion, ging Jared ins Schlafzimmer. »Sara? Bist du schon zu Hause?« Keine Antwort. Er ließ seine Aktentasche neben dem Nachttisch auf den Boden fallen und setzte sich aufs Bett.
Erst mal tief durchatmen, dachte er. Lass dich jetzt nur nicht unterkriegen! Er ging ins Bad und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Plötzlich bildete er sich ein, er hätte gesehen, wie sich in der Dusche etwas bewegte. Rasch zog er den Vorhang zurück. Nichts. Die Dusche war leer. Er rannte ins Schlafzimmer zurück und sah unters Bett. Dann in seinen Schrank. Dann in den von Sara. Dann in den Wäscheschrank. In keinem war jemand. Leer, leer, leer. Es war eindeutig niemand in der Wohnung. Trotzdem fühlte sich Jared deswegen nicht sicherer.
Um halb neun saß Jared im Wohnzimmer, schlug sich mit dem Kreuzworträtsel der New York Times herum und wartete ungeduldig auf die Heimkehr seiner Frau. Es ist ihr bestimmt nichts passiert, sagte er sich, während er erst auf seine Armbanduhr, dann auf die Zeitanzeige des Videorecorders sah. Sie hat es ziemlich weit nach Hause – darum kommt sie so spät. In der letzten halben Stunde hatte er dreimal in Saras Büro angerufen, ohne dass jemand drangegangen wäre. Um sich abzulenken, begann er zu überlegen, wie sie es aufnehmen würde, dass ihre zwei Zeuginnen abgesagt hatten. Er nahm an, zunächst würde sie ihm die Schuld geben, und dann würde sie ihm irgendwelche Anhaltspunkte zu entlocken versuchen. Nach Abschluss seiner Analyse sah er wieder auf die Uhr. Und auf die Zeitanzeige des Videorecorders. Ihr ist nichts zugestoßen, wiederholte er. Bitte mach, dass ihr nichts zugestoßen ist!
Zehn Minuten später kam Sara endlich nach Hause. Sobald Jared ihren Schlüssel im Schloss hörte, griff er wieder nach der Zeitung. »Wie lief’s bei dir?«, rief er.
»Ganz toll«, antwortete Sara sarkastisch. »Zuerst bedroht dein Mandant zwei meiner Zeuginnen, dann stößt jemand auf der Straße mit mir zusammen und klaut mir mein Portemonnaie.«
Jareds erster Gedanke war: Kozlow. Er ließ die Zeitung sinken. »Bist du dabei verletzt worden? Wo ist es passiert?«
Sara betrat das Wohnzimmer und schilderte ihm rasch den Hergang. »Dieser Dreckskerl hat mir alles geklaut – Kreditkarten, Führerschein …«
»Ich erinnere dich zwar nur ungern, aber ich habe dir immer wieder gesagt, du sollst dir eine Handtasche mit einer besseren Schließe zulegen.« Gleichzeitig überlegte Jared: War er es gewesen? »Aber jetzt erzähl schon, wie mein Mandant deine Zeugen bedroht hat.«
»Tu doch nicht so, Jared. Du weißt genau, was pas–«
»Ich habe wirklich keine Ahnung, wovon du redest.«
Sara ging auf Jared zu, beugte sich vor und sah ihm in die Augen. »Sag das noch mal!«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest«, wiederholte Jared, Silbe für Silbe betonend. Jetzt bloß nicht blinzeln, schärfte er sich mit angehaltenem Atem ein. Wenn du jetzt blinzelst, weiß sie Bescheid.
Sara sah ihren Mann durchdringend an. Wenn er log, stellte er sich inzwischen geschickter an. Schließlich sagte sie: »Als ich nach dem Mittagessen Ms. Doniger und Ms. Harrison anrief, eröffneten mir beide, sie wären nicht mehr bereit auszusagen. Ms. Harrison hatte solche Angst, dass ich es sogar am Telefon spüren konnte.«
»Du meinst also, Kozlow hat ihnen in irgendeiner Weise gedroht?«
»Wer sonst?«
»Sonst kommt dafür niemand in Frage«, erklärte Jared mit Nachdruck. »Aber ich kann dir bestätigen, dass Kozlow heute den ganzen Vormittag bei mir war.«
»Und was ist mit dem Nachmittag?«
»Den Nachmittag habe ich damit verbracht, einen Antrag für Lubetsky zu entwerfen. Wir mussten ihn bis fünf fertig haben. Außerdem, hast du nicht eben gesagt, du hättest nach dem Mittagessen mit ihnen gesprochen?«
»Habe ich«, sagte Sara. »Ich wollte nur sichergehen.«
»Also, du kannst dir deine Verdächtigungen wirklich sparen. Ich weiß nicht, wovon du redest.« Da Jared bewusst wurde, dass sie ihn umso eher durchschauen
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