Der Fall
herauszubekommen, warum er den Fall wollte.«
»Seien Sie trotzdem vorsichtig. Mit Victor sollte man sich lieber nicht anlegen. Wenn er raus bekommt, was Sie vorhaben –«
»Ich weiß. Darüber mache ich mir schon den ganzen Nachmittag Gedanken. Aber selbst wenn ich das mit Stockwell geregelt bekomme, weiß ich nach wie vor nicht, was ich mit Ms. Doniger und Ms. Harrison machen soll. Beide riefen an, um mir zu sagen, dass sie nicht mehr aussagen wollen.«
»Und ob sie aussagen werden«, sagte Moore und stieß sich vom Schreibtisch hoch. »Sie wissen es nur noch nicht.«
»Oh-oh – jetzt wird’s ernst«, sagte Guff. »Die Damen sollten sich besser warm anziehen.«
»Ich mache keine Witze«, sagte Moore. »Die beiden können winseln und jammern, so viel sie wollen, aber sie werden am Montag vor der Grand Jury erscheinen. Guff, haben Sie das Reisegepäck für Sara vorbereitet?«
»Schon an dem Tag, als sie hier ankam«, antwortete Guff stolz. Er verließ das Büro, um wenig später mit einem braunen Ziehharmonikaordner zurückzukommen, den er vor Sara auf den Schreibtisch legte.
»Machen Sie ihn auf«, forderte Moore Sara auf.
Das Innere des Ordners war nach dem Alphabet in Fächer unterteilt. »Es ist unter V«, sagte Moore.
Sara griff in das V-Fach des Ordners und zog einen dünnen Stoß Papiere heraus.
»Wissen Sie, was das ist?«, fragte Moore.
»Blankovorladungen«, erwiderte Sara.
»Richtig. Als Sie hier an Ihrem ersten Arbeitstag die ganzen Formalitäten erledigten, wurde Ihnen die Macht der Feder zuteil, auch bekannt als Macht der Vorladung. Unterschreiben Sie zwei dieser Formulare, lassen Sie sie Ihren Zeuginnen zustellen, und laut den Statuten des Staates New York werden die beiden am Montag ihren Arsch in den Gerichtssaal bewegen müssen, ob sie nun Bammel haben oder nicht.«
»Ich weiß nicht«, sagte Sara. »Ms. Doniger war ein bisschen pampig, aber Ms. Harrison schien wirklich Angst zu haben. Ich möchte auf keinen Fall, dass ihnen etwas –«
»Tun Sie das nie wieder«, unterbrach Moore sie energisch.
»Was soll ich nicht wieder tun?«
»Sich so in die Defensive drängen lassen. Sie sind eine stellvertretende Bezirksstaatsanwältin – Sie beugen sich keinen Drohungen. Die beiden vor Gericht zu holen ist Teil Ihrer Aufgabe. Ich möchte Sie auf keinen Fall dazu anstiften, einen Zeugen in Gefahr zu bringen, aber nachzugeben ist keine Lösung.«
»Und was wäre eine?«
»Das würde ich gern von Ihnen hören. Lösen Sie das Problem.«
»Langsam habe ich Ihr blödes Oberguru-Getue satt.«
»Umso mehr sollten Sie sich was Gescheites einfallen lassen. Lösen Sie das Problem!«
»Sie wollen, dass ich es löse? Also, dann werde ich folgendes tun: Statt sie heute Abend schon mit der Vorladung zu bescheren, lasse ich sie ihnen Montagmorgen von zwei Polizisten überbringen. Dann können die beiden Polizisten sie auch gleich beschützen, falls es irgendwelchen Ärger geben sollte. Außerdem ist auf diese Weise gewährleistet, dass sie auch wirklich vor Gericht erscheinen.«
Moore schwieg einen Moment, bevor er sagte: »Gut. Ein guter Start.«
»Dann unterhalten wir uns mal darüber, wie es überhaupt dazu kommen konnte. Wir sind uns doch alle einig, dass Kozlow dahintersteckt?«
»Hey, Boss«, unterbrach Guff sie. »Es ist schon halb drei.«
»Tatsächlich?« Sara sah auf ihre Uhr und stand auf. »Entschuldigen Sie bitte, aber ich muss sofort los. Ich habe einen Termin, den ich auf keinen Fall versäumen darf.«
»Und was ist mit den Vorbereitungen für die Grand Jury?«, fragte Moore. »Sie haben doch noch kaum an der Oberfläche gekratzt.«
»Keine Sorge, das hat absolute Priorität.« Sara nahm ihre Jacke von der Garderobe. »Grand Jury bedeutet Anklage, bedeutet Prozess, bedeutet gewinnen, bedeutet glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Ich werde auf keinen Fall schon in der ersten Runde verlieren – vor allem nicht, wenn es noch so viel zutage zu fördern gibt.«
»Das nenne ich einen wundervollen Einsatz des Konsekutivs, aber wann werden Sie sich tatsächlich auf dieses große Ereignis vorbereiten?«
»Wir haben noch den ganzen morgigen Tag, und Guff meinte, wir könnten uns auch am Wochenende treffen.«
»Tatsächlich?«, sagte Moore mit einem Blick auf Guff.
»Tun Sie doch nicht so«, sagte Guff. »Sie sind doch sowieso jedes Wochenende hier.«
»Morgen habe ich zwar zu tun«, erklärte Moore. »Aber Samstag könnte ich kommen. Vergessen Sie bitte nicht, ich muss mich auch um
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