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Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Titel: Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Merten
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geschwiegen, und das passte so gar nicht zu ihm. Irgendwas bedrückte ihn Drachen, das konnte Alep fühlen. „Was quält dich?“
    Wigget sah Alep unschlüssig an. „Ich habe mich eben gefragt, ob das wohl unsere Henkersmahlzeit war? Nun, da Ihr die dritte Tat vollendet habt, fürchte ich, sind unsere Tage gezählt.“ Wigget seufzte. Der sonst unerschütterliche Drache war ein Anblick des Kummers. Der Kopf, der sich sonst ununterbrochen hin und her bewegte, war herabgesunken und hing über der Tischplatte, die Augen hatten ihren Glanz verloren. Alep hatte Wigget nie zuvor so jämmerlich erlebt, und es brach ihm fast das Herz, nichts für den kleinen Drachen tun zu können.
    „Nicht aufgeben, Wigget. Lass uns lieber überlegen, ob wir in den Hinweisen, die Pretorius uns gegeben hat, nicht einen Anhaltspunkt finden.
    „Überlegen?“, fragte Wigget aufgebracht. „Ich habe viele Talente, ich war sogar einmal in der Lage, einen Bannfluch zu sprechen. Es mag sich einiges geändert haben seit damals, aber ich halte nach wie vor nichts vom Nachdenken. Ich halte auch nichts von diesem erbärmlichen Leben als Spottbild eines Drachen. Weshalb habt Ihr ...“
    Die übrigen Worte des Drachen erreichten Alep schon nicht mehr. Es war der Hinweis auf sein erstes Leben als schwarzer Drache Wikt, der ihn an etwas erinnerte. Alep forschte er in seinem Gedächtnis nach, versuchte sich zu entsinnen, weil er glaubte, etwas Wichtiges übersehen zu haben, wovon er Kenntnis hatte. Aber es wollte ihm nicht einfallen. Schließlich gab er es auf und sagte zu Wigget: „Legen wir uns schlafen. Jetzt haben wir alle Zeit der Welt.“
    Wigget flog wortlos zu einer Liege und ließ sich darauf nieder. Auch Alep streckte sich aus, und im Unterschied zu Wigget schlief er augenblicklich ein.
     
    In den nachfolgenden Tagen, oder dem, was Alep dafür hielt, denn er richtete sich in seinen Schlaf- und Wachperioden ein, sprach er immer wieder über die Weissagung, die Auserwählten und Pretorius Verrat. Anfangs war Wigget wenig geneigt, sich zu beteiligen, bis er einsah, dass es ihm nichts einbrachte, über seine Lage still zu klagen. Auch entsprach es nicht seinem Wesen, sich lange in Kümmernissen oder Schwermut zu ergehen, und so ließ er sich von Alep nach und nach in dessen Bann ziehen. Die Inbrunst, mit der Alep Stück um Stück der Prophezeiung aus den vielen Bruchteilen, die er in Erfahrung gebracht hatte, zusammensetzte und schließlich zu einem vollständigen Gebilde formte, erinnerte Wigget an das tiefe Gefühl der Freundschaft, dass ihn mit seinem Schützling verband und auch an sein Versprechen, das er dem Waldgeist gegeben hatte.
    Gleich nach dem Frühstück setzte Alep sich auf seine Liege und fragte Wigget: „Wie hat Pretorius all die Auserwählten gefunden, die in Frage kamen?“
    Wigget reckte seinen Hals und legte den Kopf auf die Tischplatte. „Ich weiß es nicht.“
    „Aber ich“, triumphierte Alep. „Er hat nie wirklich nach ihnen gesucht. Diejenigen, die leicht aufzuspüren waren, weil sie in der Prophezeiung beschrieben werden, die hat er nach Hornburg bringen lassen. Alle anderen hat er aufgrund ihrer magischen Talente ins Talikon geschickt. Ich bin sicher, dass nicht einmal die Hälfte tatsächlich als Auserwählte in Frage gekommen sind. Im Grunde war es ihm gleichgültig, wer ins Talikon ging, solange diese Personen nur dazu befähigt waren, dem Land die Magie zu entziehen.“
    Alep verstummte, als plötzlich die Tür geöffnet wurde und Pretorius eintrat. Der Magier sah ziemlich mitgenommen aus. Dunkle Ringe lagen unter seinen Augen und sein Gewand hing faltig und verschmutzt an ihm herab. Pretorius stand wortlos auf der Schwelle und bedachte seine Gefangenen mit einem grimmigen Blick.
    Wigget, der die Veränderung mit Genugtuung zur Kenntnis nahm, konnte nicht umhin, den Magier anzustacheln.
    „Ich sehe, Eure Pläne entwickeln sich nicht nach Euren Wünschen.“
    „Dir steht ein baldiger schmerzhafter Tod bevor, Drache“, erwiderte Pretorius. „Genieße die wenigen Stunden, die dir noch bleiben. Knoll!“
    Der Golem trat hinter Pretorius hervor und stellte ein weiteres Tablett auf dem Boden ab. Pretorius scheuchte ihn gleich wieder hinaus. Er betrachtete Alep lange und wortlos, bevor er die Zelle wieder verließ.
    „Es ist an der Zeit, ihm seine Grenzen aufzuzeigen“, erklärte Wigget, der noch immer seinen Blick auf die Tür gerichtet hatte. „Auf, Magier, lasst uns überprüfen, was Ihr in den letzten

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