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Der falsche Freund

Titel: Der falsche Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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trotzdem zusammenzucken. Ich machte die Augen nicht auf, murmelte bloß etwas vor mich hin.
    »Um Gottes willen, Miranda!«, sagte die Stimme. »Ich habe Glas splittern gehört … Was zum Teufel? Miranda?«
    Ich öffnete die Augen. Das Licht schmerzte. Don. Dons liebes Gesicht blickte besorgt auf mich herab. Dann lief er zum Fenster. Ich murmelte wieder etwas, aber Don verstand mich nicht. Er kam zurück, beugte sich über mich.
    »Er hat gesagt, er wolle mich umbringen.« Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
    »Wer?«
    »Er hat mir wehgetan«, sagte ich. »Wehgetan.«
    Seine Miene verfinsterte sich. »War er es? Brendan?«
    »Er hat gesagt, er wolle mich fertig machen.«
    »Was hat er getan?«
    Ich spürte, wie er erneut sanft mein Gesicht berührte, mir übers Haar streichelte, meine Bluse öffnete, um die Verletzungen näher in Augenschein zu nehmen.

    »Du blutest.«
    Ich stöhnte. Er blickte sich um.
    »Da ist Blut auf dem … Was zum Teufel hat dir dieser Mistkerl angetan? Ich rufe die Polizei. Und einen Krankenwagen.«
    »Nein«, protestierte ich und richtete mich halb auf. Der Schmerz ließ mich zusammenzucken. »Nein … es ist nicht …«
    »Was redest du denn da?«, entgegnete Don fast wütend.
    »Tut mir Leid, Miranda. Da kann ich nicht auf dich hören.«
    Sein Handy piepste dreimal kurz, als er die Nummer eingab.
    Als ich mich zurücksinken ließ, hätte ich fast aufgeschluchzt, nicht nur vor Schmerz, sondern auch, weil mir vor dem graute, was jetzt kommen würde.

    Ich war nicht mehr dabei, als die Polzeibeamten den Raum durchsuchten, das Blut von der Wand tupften, Haare vom Teppich aufsammelten und das Messer in eine Plastiktüte steckten. Dafür war ich dankbar. Ich hätte dabei das Gefühl gehabt, die Situation nach Troys Tod noch einmal durchleben zu müssen. Don erzählte mir später davon. Er hatte eigentlich mit mir ins Krankenhaus fahren wollen, aber einer der Polizeibeamten hatte ihn gebeten dazubleiben und mitzuhelfen, die Gegenstände am Tatort zu identifizieren, damit sie wüssten, was davon mir gehörte, was Don und was »fremd« war. Viel, viel später erzählte mir Don, er habe es – trotz seiner Sorge um mich – sehr interessant gefunden, wie die Experten von der Spurensicherung mit all ihren besonderen Handschuhen, Pinzetten und Skalpellen hantierten, Beweisstücke in Plastiktüten verstauten und mit Etiketten versahen, von allem Aufnahmen machten. Für ihn sei es eine ziemlich aufregende Erfahrung gewesen, sich innerhalb der Absperrung zu befinden, die den Tatort von der Welt draußen abgrenzte.

    Währenddessen wurde ich in Begleitung einer Polizeibeamtin ins Krankenhaus gebracht. Die Polizistin war für mich wie eine VIP-Eintrittskarte, die bewirkte, dass ich mich nicht am Ende der Schlange anzustellen brauchte. Ich wurde durch einen Wartebereich voller Leute geführt, die sich trotz ihrer diversen Verletzungen für mich interessierten – eine junge Frau, die von zwei Krankenschwestern und einer uniformierten Beamtin begleitet wurde. Was mir wohl Schlimmes widerfahren war? Sie selbst würden bestimmt stundenlang warten müssen. Bei mir dauerte es kaum zwei Minuten, und schon wurde ich von einem jungen Arzt und einer Krankenschwester untersucht. Eine Minute später machte der junge Arzt einem älteren Platz, der einen weißen Mantel und eine gepunktete Krawatte trug. Ich war ziemlich nervös, wie meist, wenn man mit Ärzten zu tun hat.
    Er untersuchte mein Gesicht und das Innere meines Mundes.
    »Womit wurden Sie geschlagen?«, fragte er.
    »Mit einer Wand«, antwortete ich.
    »Wissen Sie, wer es getan hat?«
    Ich nickte. Er wandte sich an die Beamtin.
    »Sie werden das fotografieren müssen. Den Hals auch.«
    »Es ist schon jemand unterwegs«, antwortete sie.
    »Wir werden eine Röntgenaufnahme machen, aber der Wangenknochen ist aller Wahrscheinlichkeit nach gebrochen.«
    Ich stieß einen Schmerzensschrei aus, weil er leicht mit einem Finger gegen meine Wange gestupst hatte, als wollte er seine Theorie testen. Er leuchtete mir mit einer kleinen Taschenlampe in Augen und Ohren. Dann hielt er einen Finger hoch und forderte mich auf, auf die Spitze zu schauen, während er ihn bewegte.
    »Hat er sich sexuell an Ihnen vergriffen?«, fragte er.
    »Nein.«

    Trotzdem bat er mich, mich auszuziehen, damit er mich untersuchen konnte. Die Beamtin nannte mir ihren Namen – sie hieß Amy O’Brien – und fragte mich, ob es mir etwas ausmache, wenn sie bei der Untersuchung anwesend

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