Der falsche Freund
sei. Ich schüttelte den Kopf. Während ich mich auszog, erklärte sie, dass sie meine Kleidung als Beweismaterial benötigen würden, und bat mich, sie gleich mitnehmen zu dürfen.
»Was soll ich denn dann anziehen?«
»Wir besorgen Ihnen ein Nachthemd«, mischte sich der Arzt ein.
»Vielleicht könnte Ihnen Ihr, ähm …«, begann Amy.
»Mein Freund.«
»Meinen Sie, er könnte Ihnen ein paar Sachen hierherbringen?«
»Ja, bestimmt.«
Nach dem Röntgen wurde ich fotografiert und anschließend in ein Einzelzimmer gebracht. Auf dem Tisch stand eine Vase ohne Blumen, und durchs Fenster sah man die Häuserwand gegenüber. Der Arzt erklärte, sie wollten mich eine Nacht zur Beobachtung dabehalten. Amy fügte hinzu, sobald ich mich besser fühlte, würden sie gern meine Aussage aufnehmen. Je eher, desto besser. Ich antwortete, das könnten wir sofort machen. Es ging alles ganz schnell. Innerhalb einer Stunde klopfte ein Detective an meine Tür, zog seine Jacke aus und holte einen Stapel Papier aus seiner Tasche. Er hieß Seb Brett und war extrem blass, als würde er sich die ganze Zeit im Dunkeln aufhalten. Er zog sich einen kleinen Tisch an mein Bett, und nun ging alles ganz langsam. Ich kam mir vor, als wäre ich wieder in der Schule. Er schrieb sich erst mal meinen Namen, meine Adresse und mein Geburtsdatum auf. Dann schob er seine Finger ineinander und bog sie mit einer abrupten Bewegung nach hinten durch, sodass seine Gelenke krachten wie trockene Holzstöckchen. Ein unangenehmes Geräusch.
»So«, sagte er. »Nun bitte von Anfang an.«
Es bestand kein Zeitdruck, kein Mangel an Papier. Ich erzählte ihm die Geschichte in allen Einzelheiten: Wie Brendan an der Tür geklingelt und sich gewaltsam Zutritt zur Wohnung verschafft hatte; wie er mich am Hinterkopf gepackt und mein Gesicht gegen die Wand geknallt hatte; wie er plötzlich aus irgendeiner Tasche ein Messer zog und es mir an den Hals drückte. Wie ich ihn anflehte, mir nichts zu tun, woraufhin er lächelnd antwortete, nun werde er mich endlich kaltmachen.
Dann hörte ich plötzlich die Wohnungstür. Brendan sprang erschrocken auf und rannte davon, wohin, konnte ich nicht sehen. Obwohl das Ganze nur ein paar Minuten gedauert hatte, brauchte ich zwei Stunden und vierzehn Seiten Papier, um meine Aussage zu machen. Am Ende fühlte ich mich total erschöpft, aber Detective Brett bat mich, alles noch mal durchzulesen und am Ende jeder Seite zu unterschreiben. In Seb Bretts runder, sauberer Handschrift klangen meine Worte irgendwie ganz anders. Er hatte aufgeschrieben, was ich gesagt hatte, bloß manches ein wenig anders formuliert. Obwohl es inhaltlich genau stimmte, kam es mir ein bisschen so vor, als wäre es von einem Computer in eine andere Sprache übertragen und dann von einem anderen Computer wieder ins Englische rückübersetzt worden. Es fiel mir schwer, mich zu konzentrieren, sodass ich auch fürs Durchlesen sehr lang brauchte. Als ich etwa die Hälfte geschafft hatte, klopfte es an der Tür. Instinktiv spürte ich, dass dieses Klopfen nichts Gutes verhieß. Es war Rob Pryor.
»Miranda«, sagte er. »Ich habe es gerade gehört. Ich bin sofort rübergekommen. Wie fühlen Sie sich?«
»Miserabel«, antwortete ich.
»Kein Wunder.« Er kam zum Bett und griff nach den Seiten, die ich bereits gelesen hatte. »Darf ich?«
Ich warf einen Blick zu Brett hinüber, der lediglich mit den Achseln zuckte. Also ließ ich ihn. Nun konnte ich mich erst recht nicht mehr konzentrieren. Während Rob die Seiten las, mit denen ich fertig war, versuchte ich mich durch den Rest zu kämpfen, verlor aber immer wieder den Faden, sodass er mich schnell eingeholt hatte. Jedes Mal, wenn ich mit einem Blatt fertig war, nahm er es mir sofort aus der Hand. Beim Lesen stieß er hin und wieder ein spöttisches »Ts-ts-ts«-Geräusch aus, das mich rasend machte. Als ich ihm die letzte Seite reichte, gab er sie mir gleich wieder zurück.
»Sie müssen weiter oben unterschreiben, da, wo der Text endet«, erklärte er.
»Warum?«
»Damit nicht irgendein böser Polizist zwischen Text und Unterschrift einfügen kann: ›Und dann wachte ich auf und stellte fest, dass alles nur ein Traum war.‹ Was Sie ja dann mit Ihrer Unterschrift bestätigen würden.«
Ich unterschrieb gleich neben dem letzten Wort, das »Polizei«
lautete.
»Wie haben Sie so schnell davon erfahren?«, fragte ich.
»Mr. Block wird bereits verhört. Er hat mich angerufen.«
»Aber was haben Sie damit zu
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