Der falsche Graf
Pop-Star." Miene hatte keine Ahnung. Shantys und die Schlager der Fünfziger waren eher ihre Kragenweite. "Sie ist echt berühmt, wissen Sie. Aber sie will aussteigen. Die machen sie fertig, ehrlich! Die erlauben ihr nichts. Sie muss immer nur machen, was die wollen."
"Wer sind 'die'?", hakte Tante Miene nach.
"Ihre Plattenfirma, ihre Manager, ihre Mutter – alle." Der junge Mann fuhr sich mit allen zehn Fingern durch das blonde Haar. "Die wollen alle bloß Kohle mit Kyrsti machen. Keinen interessiert es, wie es ihr dabei geht. Es heißt nur dauernd, Kyrsti mach das und Kyrsti mach jenes. Keiner merkt, dass sie echt fertig ist."
Miene dachte einen Moment über das Gehörte nach. "Wie heißt du denn, min Jungchen?", wollte sie schließlich wissen.
"Gerhardt Schauss", gab der Junge brav zur Antwort. "Aber meine Freunde nennen mich alle Gerry."
"Darf ich auch Gerry sagen?"
"Klar doch." Zum ersten Mal erschien ein Lächeln auf dem Jungengesicht. "Sie immer."
"Danke." Miene änderte ihre Sitzposition. "Und du bist Kyrstis Freund?"
"Wir lieben uns." Gerry sagte es voll stolzer Überzeugung. "Aber die wollen nicht, dass wir zusammensind, weil sie für Kyrsti einen PR-Lover haben."
"Einen was?" Tante Miene sah den Jungen verständnislos an.
"Einen PR-Lover, einen Typen, auch aus der Szene, dessen Karriere momentan ein bisschen hakt", wurde sie von Gerry bereitwillig aufgeklärt. "Seine Firma zahlt einen Haufen Geld dafür, dass Kyrsti sich eine Weile mit ihm sehen lässt. Da wird eine richtige Geschichte drum gebaut, die die Manager der Presse vorsetzen. So mit allem Drum und Dran, Sie verstehen schon. Das frisch verliebte Paar beim Segeln und so."
Ja, jetzt hatte Tante Miene verstanden. "Und weshalb sitzt du im Gebüsch?"
"Weil sie mich nicht zu Kyrsti lassen", seufzte Gerry traurig. "Ich kann sie nur abends sehen, wenn sie mit ihrer Managerin und den Leibwächtern im Park spazieren geht. Na ja..." Verlegen scharrte er mit den Füßen im Gras. "Ich hatte halt gehofft, dass ich ab und zu einen Blick auf sie erhasche, wenn sie auf den Balkon rausgeht oder so. Aber die lassen sie nicht mal das."
Tante Miene nickte, in Gedanken noch bei dem eben Gehörten. Sagte der Junge die Wahrheit? Er machte nicht den Eindruck als sei er verschlagen genug, sich solche Geschichten auszudenken. Wahrscheinlich war diese Kyrsti seine erste große Liebe, um die er, noch an Romantik und die Ewigkeit der Gefühle glaubend, mit allen Mitteln kämpfen wollte.
"Pass auf", wandte sich Miene dem Jungen zu. "Du gehst jetzt schön brav nach Hause. Ich habe dich nicht gesehen, verstanden? Und wenn du wieder hier herumschleichst, dann nimm lieber die andere Seite des Hotels. Von hier aus wirst du deine Angebetet nämlich nie sehen können."
Gerry sprang sofort auf. "Danke!" Er ergriff Mienes Hände und drückte sie so fest, dass es beinahe weh tat. "Vielen, vielen Dank. Sie sind echt super."
"Da nich' für", wehrte Miene ab. "Mach, dass du verschwindest und pass auf die Securityleute auf."
"Die hab ich schon ausgetrickst", grinste Garry. Er winkte Miene noch einmal zu, dann machte er kehrt und verschwand zwischen den Büschen, die einen Teil des Ufers säumten. Gleich darauf war er Tante Mienes Blicken entschwunden. Nachdenklich kehrte sie ins Hotel zurück und schnitt ihre Zwiebeln weiter.
12. Kapitel
Dieser geschniegelte Angeber war schon wieder mit von der Partie! Am liebsten hätte Simon ihn am Kragen seines feinen Gucci-Polohemdes gepackt und einmal quer durch den Bannwaldsee gezogen. Aber das ließ seine gute Erziehung nicht zu. Außerdem hätte ihn ein derart rabiates Verhalten in Connys Augen zum Ungeheuer gestempelt und den Angeber zum bedauernswerten Opfer. Kurz, Simon hätte sich selbst ins Aus gekickt und genau den Gefallen wollte er dem Angeber nicht tun.
Sein Händedruck fiel etwas kräftiger aus. Mit Befriedigung sah Simon wie der Graf schmerzlich das Gesicht verzog. Doch er zauberte sofort ein strahlendes Zahnpastalächeln auf seine Lippen als Conny aus der Liftkabine trat und auf die beiden Herren zueilte.
"Tut mir Leid, dass ich mich verspätet habe", entschuldigte sie sich, worauf die Männer eilfertig versicherten, dass es nicht schlimm sei und es sich ja nur um ein paar unbedeutende Minütchen handelte.
"Sie sehen einfach bezaubernd aus", schmeichelte Klaus-Peter ihr sofort. "Schön wie eine frisch erblühte Rose."
"Dem Kompliment kann ich mich nur anschließen", meldete sich Simon zu Wort, wild entschlossen,
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