Der falsche Graf
Conny düster. "Dabei hat dieser Mann einen so guten Eindruck gemacht."
Tante Miene schenkte ihr ein tröstliches Lächeln.
"Machen Sie sich jetzt bloß keine Vorwürfe, Kindchen. Auf den sind bestimmt schon ganz andere hereingefallen." Sie stemmte sich aus dem Sessel. "So, und ich rufe jetzt Herrn Schmittchen an. Er soll gleich seinen Posten beziehen."
Ottokar war sofort bereit seine Nachtruhe zu opfern und sich auf die Lauer zu legen. Er packte seine Thermosflasche und ein paar Butterbrote ein, nahm ein paar Hörkassetten aus dem Phonoschrank und fuhr los. Tante Miene erwartete ihn auf dem hoteleigenen Parkplatz. Sie zeigte ihm den Wagen des Grafen und machte ihn darauf aufmerksam, dass sie den Betrüger für einen äußerst gefährlichen Menschen hielt.
"Pass auf dich auf, mein Lieber", bat sie. "Dieser Mann hat so was im Blick, das gefällt mir gar nicht."
Ottokar mochte es wenn sich Miene um ihn bekümmerte. Er lächelte zärtlich.
"Mach dir keine Sorgen, meine Liebe", spielte er den Helden. "Ich werde kein unnötiges Risiko eingehen."
"Bitte." Tante Miene steckte ihm noch rasch ein Päckchen Himbeerbonbons zu, die er so gerne lutschte, dann eilte sie durch den Park ins Schloss zurück, während sich Ottokar mit Stullen, Kaffee und Bonbons in seinem Wagen auf die Lauer legte.
Das Kassettenradio dudelte Bayrische Volksmusik. Es war bereits die dritte oder vierte Kassette, die Ottokar ins Deck geschoben hatte, als plötzlich eine hochgewachsene Gestalt im Lichtkegel der Laterne erschien. Sie blieb einen Moment stehen, dann eilte sie weiter auf den Wagen des Grafen zu. Gespannt sah Ottokar zu, wie dieser einstieg und davon fuhr. Jetzt waren die Butterbrote und Bonbons unwichtig. Ottokar warf sie einfach auf den Beifahrersitz. Er wartete, bis der Graf seinen Wagen aus der Parklücke heraus und die Auffahrt hinauf zur Straße gelenkt hatte, ehe er den Motor seines Fords anließ und dem Graf in gehörigem Abstand folgte.
Der Kerl fuhr in Richtung Schlösser. Aber er folgte weder dem Abzweig nach Hohenschwangau noch dem, der zum Schloss Neuschwanstein hinaufführte, sondern er fuhr weiter, die gewundene Straße entlang bis diese in einen schmalen Feldweg mündete. Der gute Ottokar wurde in seinem Wagen ganz schön durchgeschüttelt als er über den mit grob zerhauenen Felsbrocken belegten Pfad fuhr. Vor ihm verloschen urplötzlich die roten Rücklichter, die er bisher verfolgt hatte. Ottokar stoppte, schaltete die Scheinwerfer aus und starrte durch die Windschutzscheibe. Es dauerte einen Moment, ehe sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Doch dann sah er es: Der Wagen des Grafen stand mitten auf dem Weg. Ottokar beschloss, seinen Wagen ebenfalls stehen zu lassen. In geduckter Haltung lief er zu dem Sportcabrio. Es war verlassen, von dem Graf war weit und breit nichts zu sehen. Wohin mochte er gelaufen sein? In den Wald?
Ratlos sah Ottokar sich um.
Der Schlag kam völlig unerwartet und mit großer Wucht. Er traf ihn genau am Hinterkopf. Ein Schmerz, scharf wie ein Messer fuhr durch seinen Körper. Bunte Sternchen tanzten vor seinen Augen. Schwindel packte ihn, wollte ihn zu Boden werfen. Seine Hände griffen ins Leere auf der Suche nach einem Halt. Er wollte schreien, aber es kam nur ein Röcheln aus seiner Kehle. Mit aller Kraftanstrengung wehrte er sich gegen die aufwallende Ohnmacht, aber sein Körper mochte dem Willen nicht gehorchen. Schon kam die Schwärze auf ihn zugerast. Ottokar spürte, wie die Erde unter seinen Füßen wegglitt, es schien, als würde er in der Luft schweben, dann stürzte er in ein dunkles, tiefes Loch.
18. Kapitel
"Oh Gott, oh Gott, ich habe dich doch so gebeten, vorsichtig zu sein." Während Tante Miene die dicke Beule an Ottokars Hinterkopf kühlte und mit Salbe bestrich, konnte sie nicht aufhören ihn zu abwechselnd zu bedauern und zu schelten. "Du musst dich sofort hinlegen, hörst du? Hast du Kopfschmerzen, ist dir schwindlig oder übel?"
Ottokar gab zu, dass er ein wenig Kopfschmerzen hatte. Tatsächlich brummte sein Schädel wie nach einer Zechtour durchs Hofbräuhaus. Er sehnte sich nach einem Bett, aber das mochte der alte Herr nicht zugeben. Seine angebetete Hermine sollte ihn schließlich nicht für einen tattrigen Jammerlappen halten. Aber ihr Angebot, den Rest der Nacht im Hotel zu verbringen, nahm er dankbar an. Ebenso dankbar war er für die Schmerztablette, die Tante ihm verpasste. Als er eine Viertelstunde später unter die Bettdecke kroch, fühlte
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