Der falsche Graf
Steinfigur das Leben, wobei Conny im Nachhinein wahrscheinlich mehr um die Steinfigur getrauert hätte. Sie war ein Werk ihrer Freundin Kathi, das diese ihr zur Geschäftseröffnung geschenkt hatte.
Mit letzter Beherrschung hatte Conny das wertvolle Einzelstück wieder auf den Tresen zurückgestellt. Danach war sie in ihre Werkstatt gegangen und hatte so lange auf eine Ankleidepuppe eingedroschen bis diese in ihre Einzelteile zerfallen war. Sehr viel besser hatte Conny sich danach allerdings nicht gefühlt. Aber sie war wenigstens in der Lage gewesen, unfallfrei nach Hause zu fahren und sich auf die Fahndung nach dem Gutschein zu begeben. Er lag unter einem Stapel Slips versteckt. Entschlossen griff Conny nach dem tragbaren Telefon und wählte die Nummer, die unter dem romantischen Foto des Schlosshotels am Bannwaldsee abgedruckt war.
3. Kapitel
"Für morgen noch eine Reservierung." Sonja Tewes deutete auf die letzte Computereingabe. "Einzelzimmer, volles Programm."
Karolina Hess, die den Dienst am Empfang übernehmen sollte, krauste die Nase. "Aus unserer Werbekampagne?"
Sonja nickte, während sie ihre Unterlagen zusammenpackte. "Der Gast besitzt einen Gutschein."
"Sonst noch etwas Wichtiges?" Als Sonja den Kopf schüttelte, entfuhr Karolina ein abgrundtiefer Seufzer. Es klang, als laste das halbe bayrisch-österreichische Bergmassiv auf ihrer Seele.
"Wieder Krach im Paradies?" Sonja sah sie besorgt an. Zwischen Karolina und ihrem Mann Gerhard kriselte es in letzter Zeit immer öfter. Und das, obwohl sie sich eigentlich nie sahen, denn Gerhardt Hess war beruflich ständig unterwegs. Aber das war vielleicht der Grund für ihre Auseinandersetzungen?
"Ach, ich mag nicht drüber sprechen." Karolina setzte ihr Berufslächeln auf als sich eine füllige Dame in raschelnder Kunstseide dem Empfang näherte. "Guten Abend, Frau Hoffmann, hatten Sie einen schönen Tag?"
Die Angesprochene lächelte geziert.
"Ach ja, wir haben uns wieder unseren Lieblingsfilm angesehen. Sie wissen schon, König Ludwig, Glanz und Elend eines Königs." Ihre Augen begannen schwärmerisch zu glänzen. "O.W. Fischer war einfach ein wunderbarer Mann. So gut aussehend, gepflegt, klug. Und Ruth Leuwrik in diesen sagenhaft schönen Kostümen. Ach, das waren noch Kleider..." Sie unterbrach sich als sie merkte, dass Karolinas Lächeln festfror. Verlangend streckte sie eine Speckhand über den Tresen. "Meinen Schlüssel bitte."
Karolina reichte ihr das Gewünschte, wartete, bis die Beleibte davon getrippelt war, dann stieß sie die angestaute Luft aus den Lungen.
"Seit Jahren immer denselben Film ansehen, da muss man schon ganz schön fanatisch sein oder geistig anspruchslos." Sie wandte sich wieder ihrer Kollegin zu. "Was machst du heute Abend?"
Sonja hob ratlos die Schultern. "Ich habe keine konkreten Pläne. Wahrscheinlich werde ich mich in die Wanne legen, dann ins Bett werfen und mir im Fernsehen irgendeinen alten Liebesfilm ansehen. Mir ist nach Romantik."
Karolina schürzte die Lippen. In ihren Ohren hörte sich das nach öder Langeweile an. Aber Sonja war sowieso aus ganz anderem Holz geschnitzt als sie. Während Karolina Partys liebte, gerne und oft zum Essen und Tanzen ausgeführt werden wollte, und sich privat gerne mit einem Hauch von Luxus umgab, bevorzugte Sonja das Stille, Zurückgezogene. Aus reinem Selbstschutz, was sie allerdings nicht mal vor sich selber eingestand. Tatsache war jedoch, dass Sonja Versager anzog wie ein mit Honig bestrichener Fliegenfänger die Wespen. Sobald sie die Nase aus ihrem beschaulichen Leben heraus in eine Kneipe, auf eine Feier oder in andere an sich völlig harmlose Vergnügungen steckte, hatte sie einen dieser flügellahmen Antihelden am Hals und ihr immer mitleidiges, erzdummes Herz schrie "Den pampern wir uns zum Recken!". Aber aus einem Stück weicher Margarine macht man nun mal keinen Kaviar und wenn man noch so viel Fischfett drunter mischt. Es wird immer nur eine ziemlich übel schmeckende Mischung bleiben. Und aus Sonjas Männern wurden auch keine strahlenden Prinzen. Sie blieben Versager. Von Sonja mit neuen Klamotten ausstaffiert, rausgefüttert und nach Eau de Cologne duftend, saßen sie wochenlang die Polster ihres Sofas platt, lebten auf ihre Kosten und machten sich eines Tages mit Sonjas Erspartem klammheimlich vom Acker.
"Klingt gut", schwindelte Kristina weil ihr diese Tatsachen bekannt waren und sie die Kollegin nicht deprimieren wollte. "Ich würde gerne mit dir tauschen. Hab
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