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Der Falsche Krieg

Titel: Der Falsche Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Roy
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dominierenden Figur
der Schia), grenzen sich gleichwohl von den Sunniten ab.
    Kurzum, zwischen Mittelmeer und Iran treten die Sunniten heute zumindest politisch als Minderheit in Erscheinung (Irak, Libanon, Syrien), wenn sie es nicht schon in demografischer Hinsicht sind (Irak, Libanon, Bahrain, Oman). Im Grunde gibt es nur zwei wirklich sunnitische Staaten östlich von Suez: Jordanien und Saudi-Arabien, und dazu noch ein paar Emirate am Golf. Wir haben es hier in der Tat mit einem tektonischen Beben zu tun, das schwerwiegende Konsequenzen hat. Einerseits wird für zahlreiche Staaten die »schiitische Bedrohung« wichtiger werden als die Palästinafrage, etwa für Saudi-Arabien und Jordanien. Andererseits gilt für die arabischen Schiiten: Obwohl sie nicht zwangsläufig pro-iranisch eingestellt sind, wird die Tatsache, dass sie von den Sunniten so wahrgenommen werden, sie vielleicht nicht direkt in die Arme des Iran treiben, aber immerhin dazu führen, dass sie ihre Eigenständigkeit vermehrt betonen.
    Vor diesem Hintergrund enthüllte die Hinrichtung Saddam Husseins genau an dem Tag, der das Ende des Ramadan feierte, also am 31. Dezember 2006, in aller Deutlichkeit die Kluft zwischen den Schiiten, die offen ihre Freude zeigten, und den Sunniten, die ihn zum Helden der arabischen und sunnitischen Sache stilisierten (was auch für viele Islamisten gilt, die ihn zuvor verurteilt hatten). Schlagartig bemächtigte sich dieser Gegensatz der Symbole und drang ins allgemeine Bewusstsein ein. Er entstammt nicht mehr einer abstrakten geostrategischen
Analyse, sondern nimmt in gegenseitigem Hass und gegenseitiger Ablehnung Gestalt an. Darum kann es durchaus der Fall sein, dass östlich von Suez die Spaltung zwischen Schiiten und Sunniten größere Bedeutung erlangen wird als der Konflikt zwischen Israel und Palästina.
Irak: zwischen unvermeidlicher Teilung und möglicher Implosion
    Der Zerfall des Irak in drei Einheiten (kurdisch, schiitisch und sunnitisch) ist nicht allein die Konsequenz von zunehmender Gewalt. Er folgt einer tieferen Logik. Zunächst einmal wurde der Weg Kurdistans in die Unabhängigkeit, der in den siebziger Jahren begonnen hat, zwischen 1991 und 2003 durch die Existenz der von den Westmächten definierten autonomen Zone gefestigt; diese hinderte die Truppen Saddam Husseins daran, über den 36. Breitengrad nach Norden vorzudringen. Nach der Vertreibung Saddam Husseins beeilten sich die Kurden natürlich, ihre Selbstverwaltung zu installieren, und beendeten damit die lange Rivalität zwischen den beiden Teilen Kurdistans, dem Norden unter Barzani und dem Süden unter Talabani. Es begann eine allmähliche Rückeroberung »arabisierter« Gebiete in Richtung Mossul und Kirkuk. Aber vor allem haben mehr als fünfzehn Jahre Trennung das Verhältnis der Kurden zum Irak verändert. Arabisch wird
immer weniger gesprochen, niemand geht mehr zum Studium nach Bagdad, gemischte Eheschließungen finden nur noch sehr selten statt. Kurzum, Kurdistan steuert unaufhaltsam auf die Unabhängigkeit zu. Die beiden Nachbarn Türkei und Iran sind gegen die Unabhängigkeit, aber sie werden sich damit abfinden, wenn sie im Gegenzug die Garantie erhalten, dass keine Ansprüche auf die Kurden in ihren Ländern erhoben werden, wozu sich Barzani und Talabani bereit erklären werden. Tatsächlich würden beide in einem erweiterten Kurdistan alle Macht verlieren, da die Kurden aus der Türkei viel zahlreicher sind und die PKK, die für die Unabhängigkeit der Kurden in der Türkei kämpft, viel besser organisiert ist, aber alles andere als geneigt, die Macht zu teilen. Andererseits wäre ein unabhängiges irakisches Kurdistan, das als Enklave existierte, auf die Türkei und den Iran angewiesen, die dann eine Art Schutzherrschaft ausüben und jegliches Abdriften verhindern könnten. Diese Konstellation lässt punktuelle bewaffnete Interventionen von Seiten der Türkei erwarten.
     
    Die Wahlen im Januar 2006 haben gezeigt, dass die Kluft zwischen den arabischen Schiiten und Sunniten im Irak sehr tief ist. Das Wahlergebnis bestätigt die wachsende Ausrichtung kommunitärer Identitäten an territorialen Strukturen und entspricht damit der unvermeidlichen Entwicklung hin zum Föderalismus. Die Menschen haben nach kommunitären Kriterien gewählt und nicht nach politischen, selbst dort, wo es keine Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen
gab. Aber die Stimmenverteilung zeigt auch, wo innerhalb der größeren Regionen, die weitgehend

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