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Der Falsche Krieg

Titel: Der Falsche Krieg
Autoren: Olivier Roy
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Selbstmordattentaten gegen Schiiten abzeichnet. Die Konflikte werden zu
Neuordnungen nach Gruppenzugehörigkeiten führen, Minderheiten werden fliehen, oder ihre Milizen werden lokale Niederlagen hinnehmen müssen. Das Phänomen der Polarisation und der kommunitären Territorialisierung nährt und stabilisiert sich selbst.
     
    Aber es gibt noch ein viel pessimistischeres Szenario, ausgehend von der Vorstellung, dass eine wirkliche kommunitäre Neuordnung nicht möglich ist infolge innerkommunitärer Konflikte. Solche Konflikte könnten zweierlei Grundlagen haben, einmal die traditionelle, im Wesentlichen stammesmäßige Segmentierung, und dann Verschiebungen infolge eines Krieges, bei denen lokale Machthaber über Milizen befehlen, die sich entweder auf geistliche Zugehörigkeit berufen oder ganz einfach »Banden« sind. Die blutige Schlacht am 28. und 29. Januar 2007 in der Nähe von Nadschaf zwischen der von den Amerikanern unterstützten irakischen Armee und einem seltsamen Bündnis zwischen einem schiitischen Stamm (den Hawatem), der die Ermordung ihres Führers durch die irakische Armee rächen wollte, und einer schiitischen Endzeitsekte (den »Soldaten des Paradieses«) zeigt das komplexe Zusammenspiel von traditioneller Segmentierung und neuen Formen der Radikalisierung. Auch die Milizen von Scheich Muktada Sadr bewegen sich zwischen politischen Bewegungen, Sekten und mafiösen Banden. Im Norden haben die Bündnisse zwischen sunnitischen Stämmen und Al-Qaida-Gruppierungen einen reversiblen Charakter. Die Auflösung politischer Bewegungen
in açabiyya und die Neuausrichtung traditioneller açabiyya rund um »moderne« Themen wie Ideologien, Märkte, internationale Allianzen, Globalisierung sind eine Konstante in den heutigen lokalen Konflikten, bei denen der Bürgerkrieg nicht von ausländischen Interventionen zu trennen ist, wie wir es an Afghanistan, Libanon und Tschetschenien beobachten, ganz zu schweigen von Afrika.
Der Iran zwischen zwei Fronten
    Der Iran will zur dominierenden Macht im Mittleren Osten werden, vor allem strebt er eine Art Schutzherrschaft über die Golfstaaten an. Er setzt dabei auf zwei Aspekte: auf die schiitische Achse in der Golfregion und auf die »Ablehnungsfront« gegenüber Israel, das heißt den arabischen Nationalismus und den Panislamismus. Allerdings liegen beide Strategien nicht unbedingt auf einer Linie.
    Das iranische Nuklearprogramm hat zwei Funktionen: Einmal stellt es ein Machtinstrument im Mittleren Osten dar, wo es mindestens zwei Nuklearmächte gibt (Pakistan und Israel), und es soll das iranische Staatsgebiet vor jeglicher Bedrohung seitens der Vereinigten Staaten und Israels schützen. Der Iran kann verhandeln, die Entwicklung unterbrechen oder nach dem Vorbild Israels kurz vor einem Nukleartest Halt machen, aber er wird nicht auf das Nuklearprogramm an
sich verzichten, das heißt auf die Anreicherung von Uran. Die amerikanische Militärintervention nach dem 11. September 2001 war für den Iran eine große Chance, denn er wurde gleich zwei seiner Feinde los: Saddam Hussein und die Taliban.
    Der Iran hat aus dem gescheiterten Versuch, die Revolution zu exportieren, seine Lektion gelernt, was auch für den Krieg gegen den Irak in den achtziger Jahren gilt. Er weiß, dass er die Front aus arabischen Nationalisten, militanten Sunniten und konservativen Monarchien, die seine Isolation verursacht hat, aufbrechen muss. Deshalb bemüht er sich, mit der Hisbollah als einer vermittelnden Instanz die Führung der Ablehnungsfront zu übernehmen. Mit anderen Worten, er unternimmt alles, um sich an die Spitze des Widerstands gegen den Staat Israel zu setzen, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, wie wir gesehen haben, da die arabischen Regime sich mit Israel abgefunden haben. Das ist Sinn und Zweck der flammenden Reden von Ahmadinedschad über die Auslöschung Israels und die Leugnung des Holocausts. Selbst wenn der Ausbruch des Krieges zwischen der Hisbollah und Israel im Juli 2006 anscheinend auf einen unglücklichen Schritt der Hisbollah zurückgeht, die die israelische Reaktion auf die Entführung zweier Soldaten der israelischen Armee falsch eingeschätzt hat, ändert das nichts daran, dass die Entwicklung letztlich Teheran in die Hände spielt. Von Kairo bis Amman ist für die Araber auf der Straße Nasrallah, der Generalsekretär der Hisbollah, ein arabischer Held.

    Obwohl Ahmadinedschad in den Augen vieler iranischer Führer zu weit gegangen ist, ist sein Vorgehen logisch:
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