Der falsche Mann
trotzdem. Die Innenstadt war voller Menschen, die in Büros arbeiteten oder durch die Straßen schlenderten. Ich hatte einfach kein gutes Gefühl dabei. Es war, als wäre ich mitschuldig.
Ich fing Lee Tuckers Blick auf, der mich finster anstarrte und offensichtlich wenig erfreut war über meine Anwesenheit.
Es waren noch zehn Minuten bis zwölf Uhr. Offenbar gab es keine Anzeichen eines sich nähernden Lastwagens, denn andernfalls hätte Lee wohl kaum noch hier gestanden.
Auf einmal summte das Handy in meiner Tasche. Eine unbekannte Nummer. Ich blickte zu Lee, doch der schien es nicht zu sein, also spielte es keine Rolle.
Noch fünf Minuten bis zwölf. Jemand formierte die Marschierer auf dem Walter Drive zu einer Art Kolonne. Lee Tucker war hoch konzentriert, hielt den Zeigfinger auf seinen Ohrhörer gepresst, wirkte aber nicht übermäßig besorgt. Noch tat sich nichts.
Und dann war es zwölf.
Nichts explodierte. Kein Lastwagen donnerte auf uns zu. Ich blickte zu Lee, der ausdruckslos zurückstarrte.
Die Parade setzte sich in Bewegung.
96
Olsen blickte auf seine Uhr. Es war 12.37 Uhr. Das kam einigermaßen hin. Sie lagen ein bisschen hinter der geplanten Zeit, doch es bestand kein Grund zur Panik. Der Verkehr war dichter als erwartet. Sie hatten natürlich mit einer Verlangsamung gerechnet, da wegen der Parade bestimmte Straßen gesperrt sein würden, aber es war schlimmer als angenommen. Trotzdem war immer noch ausreichend Zeit bis dreizehn Uhr. Selbst wenn sie ein paar Minuten nach eins eintrafen, wäre es noch nicht zu spät. Die Gedenkfeier würde mindestens eine Viertelstunde dauern.
Zur Hölle, sogar wenn sie die Gedenkfeier verpassten, wäre da immer noch das Federal Building.
Keine Panik. Mr. Manning hatte ihnen das immer wieder gepredigt: keine Panik.
Er blickte in den Rückspiegel. Hinter ihm fuhren die anderen aus seinem Team, Briggs und Roscoe, in einem Chevy Sedan. Sie saßen im Fluchtwagen und bildeten zugleich die Verstärkung, wenn es hart auf hart kommen sollte.
Vorsichtig steuerte er den You-Ride-Laster durch den stockenden Verkehr. An der nächsten Querstraße vor ihm – der Miller Street – regelte ein Polizist den Verkehr. Das ergab nun allerdings keinen Sinn. Sie waren immer noch drei Blocks vom Federal Building entfernt und erst dort sollte der Verkehr umgeleitet werden. Nicht schon an der Miller Street.
» Ich versteh das nicht«, sagte er und konnte die Nervosität in seiner Stimme hören.
» Das ist nur der Verkehrsrückstau«, sagte Briggs im Wagen hinter ihm.«
» Trotzdem läuft es scheiße«, meldete sich eine weitere Stimme. Das war McPike, der Fahrer des zweiten You-Ride-Lasters mit Ziel State Building. Olsen blickte in den Seitenspiegel. Der zweite You-Ride-Laster stand etwa zehn Autos hinter ihnen im Stau. Er würde an der Miller Street rechts abbiegen und dann an der nächsten Kreuzung in Richtung Süden zu dem einen Block entfernten State Building fahren, während Olsen direkt geradeaus in südlicher Richtung auf die Federal Plaza zuhalten würde.
» Cool bleiben«, sagte Olsen, der seinen eigenen Rat zu beherzigen versuchte. » Entspann dich.«
Die Wagenschlange kam nur stockend voran. Der Cop an der Kreuzung Miller Street ließ jedes Auto anhalten, sprach mit dem Fahrer, dann ließ er sie oder ihn weiterfahren. Schwer zu sagen, warum. Diese Regierungsarschlöcher hielten den Verkehr auf, nur um ihre eigene beschissene Existenz zu rechtfertigen.
Der Wagen vor Olsen war als Nächster an der Reihe und fuhr auf die Kreuzung. Der Polizist ging zur Fahrertür und sprach mit dem Fahrer. Dann deutete er nach links und trat vom Wagen zurück. Der Wagen fuhr weiter über die Kreuzung.
Der Verkehrspolizist winkte Olsen heran. Olsen holte tief Luft und rollte langsam vorwärts. Der Cop kam an Olsens Fenster und vermied dabei jeden Augenkontakt. Olsen ließ das Fenster herunter.
» Hören Sie«, sagte der Cop. In der nächsten Sekunde riss er beide Hände nach oben und feuerte ein Gummigeschoss direkt in Olsens Gesicht, der sofort das Bewusstsein verlor.
***
Die Aktion war perfekt koordiniert: Panzer donnerten von beiden Seiten auf die Miller Street, um dem You-Ride den Weg abzuschneiden. US Special Forces stürmten hinter den an der Kreuzung liegen Gebäuden hervor direkt auf den Laster und den Wagen von Briggs und Roscoe zu. Die Satelliten waren den You-Rides lange genug gefolgt, um den zweiten Wagen mit der Verstärkung unmittelbar dahinter auszumachen.
Briggs
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