Der falsche Mörder
schieben?«
»Ich kann das einfach nicht glauben.«
Raggi reicht seinem Assistenten das Video. Kurz darauf erscheint der Film auf der Mattscheibe. Das genießerische Stöhnen der beiden hallt im Konferenzraum wider.
Ich erkenne die Umgebung sofort. Das Bett. Der Film wurde in Sjöfns Zimmer aufgenommen.
Der Blickwinkel deutet darauf hin, dass die Kamera ganz oben im Kleiderschrank versteckt wurde. Oder vielleicht auf ihm.
Adalgrímur wendet nach einer kurzen Zeit den Blick ab.
»Haben wir jetzt nicht mehr als genug davon gesehen?«, fragt er.
Die Goldjungs machen den Fernseher aus.
»Ich frage dich also wieder, ob du dieses Video schon einmal gesehen oder von seiner Existenz gewusst hast«, sagt Raggi.
»Nein, natürlich nicht, ich hatte keine Ahnung, dass es diese Aufnahme überhaupt gibt.«
»Woher habt ihr dieses künstlerisch wertvolle Objekt?«, frage ich kurz angebunden.
Raggi schweigt.
»Wir haben ein Recht darauf, zu wissen, wer euch das Video gegeben hat.«
»Mach mal halblang«, sagt Raggi gelassen und wendet sich direkt an Adalgrímur. »Wir haben das Video in Sjöfns Handtasche in deinem Büro gefunden. Sie hat dir wahrscheinlich die ganze Herrlichkeit da am Samstag gezeigt. War das vielleicht der Grund, weshalb du sie umgebracht hast?«
»In der Handtasche?«, rufe ich über den Tisch. »Ihr habt das Video die ganze Zeit in Verwahrung gehabt, ohne uns davon in Kenntnis zu setzen?«
Sie übergehen mich einfach.
»Ich unterstreiche noch einmal, was ich vorhin gesagt habe: Weder habe ich dieses Video jemals gesehen noch gewusst, dass es überhaupt existiert«, sagt Adalgrímur. »Und das ist die reine Wahrheit, wie alles andere, was ich euch zu diesem Fall bis jetzt gesagt habe.«
Raggi schüttelt den Kopf. Ungläubigkeit spricht aus seinen Augen.
»Willst du damit behaupten, dass mein Klient am Samstagabend gewusst hat, dass sich dieses Video in Sjöfns Handtasche in seinem eigenen Büro befindet?«, frage ich.
»Warum hat er es dann nicht mitgenommen?«
Keiner der Goldjungs antwortet mir.
»Allein die Tatsache, dass ihr das Video in der Tasche gefunden habt, nachdem Adalgrímur den Mord gemeldet hat, sollte Beweis genug dafür sein, dass er nichts von dem Video wusste«, füge ich hinzu.
Raggi tut so, als ob er mich nicht hören würde. Fährt stattdessen fort, Adalgrímur immer wieder die gleichen Fragen zu stellen. Und bekommt immer wieder die gleichen Antworten. Bis er schließlich aufgibt und den Richter am Obersten Gericht wieder in die Isolationshaft nach Litla Hraun {} schickt.
Die Goldjungs bilden sich werweißwas ein. Dass sie den Hauptgewinn im Lotto gezogen haben vielleicht.
Raggi ist vollständig davon überzeugt, dass Adalgrímur schuldig ist.
»Das Video gibt den Ausschlag«, sagt er, als ich ihm auf dem Weg aus dem Kripo-Palast nach draußen in sein Büro folge. »Es würde mich nicht wundern, wenn Sjöfn versucht hätte, ihm das Video zu verkaufen, was bedeutet, dass es sich hierbei um einen Erpressungsversuch gehandelt hat, der mit einer Katastrophe endete. Adalgrímur wird doch wohl langsam einsehen, wie sinnlos es ist, weiterhin etwas abzustreiten, was für alle offensichtlich ist.«
»Einem Witwer in seinem Alter kann doch so ein Video egal sein.«
»Nicht, wenn er Adalgrímur Sunndal heißt.«
»Warum liegt euch eigentlich so viel daran, alle anderen Möglichkeiten auszuschließen?«, fahre ich Raggi an. »Ich finde es, um ehrlich zu sein, ziemlich verdächtig. Habt ihr zum Beispiel versucht, herauszufinden, wo der neueste Liebhaber von Sjöfn war, als der Mord begangen wurde?«
»Der neueste Liebhaber?«, wiederholt Raggi meine Worte. »War es denn nicht Adalgrímur?«
»In der Selbstständigen Theatergemeinschaft hat eine Geschichte Hochkonjunktur, dass sie sich nämlich einen hochdekorierten Vorgesetzten aus diesem Haus geangelt haben soll.«
»So ein Blödsinn«, sagt Raggi und beginnt zu lachen.
»An deiner Stelle würde ich in der Sache mal auf den Busch klopfen. Genau das habe ich nämlich vor.«
Das Lachen bleibt ihm im Hals stecken.
»Meinst du das ernst?«
»Wenn hier im Hause irgendein Vorgesetzter persönliche Interessen als Liebhaber von Sjöfn zu wahren hat, stellt das die Neutralität der Ermittlungen in Frage.«
Raggi schaut mich nachdenklich an.
»Ich kann dich doch wahrscheinlich von der Liste streichen?«, frage ich lächelnd.
Jetzt guckt er richtig beleidigt. Zieht sich sein Sakko aus. Hängt es über die Stuhllehne. Wendet mir
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