Der falsche Mörder
seine Wampe zu. Lässt seine roten Hosenträger immer wieder mit den Daumen flitschen.
Nur um mich zu nerven.
Auf dem Nachhauseweg muss ich mir selber eingestehen, dass Adalgrímurs Situation wenig Hoffnung birgt. Die Goldjungs sind überzeugter denn je, dass der Mordfall gelöst ist. Vielleicht haben sie Recht.
Trotzdem fällt es mir nicht ein, aufzugeben. Natürlich nicht.
Zumal die Goldjungs schon des Öfteren falsch lagen.
Diese Herzchen.
Aber wenn Adalgrímur am Mord unschuldig ist, wer ist dann der Schuldige?
Das ist die große Frage.
Zweifellos werde ich wohl selbst den richtigen Schlüssel zu diesem Rätsel finden müssen. Die Goldjungs machen das mit Sicherheit nicht.
Muss ich nicht zuerst mein Augenmerk auf das Opfer richten?
Sjöfn scheint ganz schön viel zu verbergen zu haben. Aber was genau?
Ich muss es herausfinden. Das könnte den Mord an ihr in einem anderen Licht erscheinen lassen.
Aber wo und wie komme ich am besten an verwertbare Informationen zu ihren halblegalen Machenschaften? Oder sogar an Beweise?
Wie wär’s denn, bei denen anzufangen, von denen ich weiß, dass sie Sjöfn nicht leiden konnten? Sie sozusagen hassten?
Ist das nicht die vielversprechendste Fährte? Wahrscheinlich.
Aber natürlich muss ich mich vorsehen.
»Der Hass ist ein gefährlicher Verbündeter.«
Sagt Mama.
10. KAPITEL
Donnerstag
T ag der raschelnden Scheinchen. Und wehe, es muckt einer auf!
Ich lege schon früh los. Verfolge mit einem Ohr die Gespräche im Frühstücksfernsehen, während ich mich anziehe.
Der Vize ist für ein Interview erschienen. Er bittet die Öffentlichkeit um Mithilfe, um die maskierten Rowdys zu finden, die bei der alten Frau in Hafnarfjördur eingebrochen sind.
»Kurz vor zwei Uhr in der Nacht wurde beim Notruf angerufen und gemeldet, dass eine Frau einen Herzinfarkt bekommen hätte«, sagt er und schaut direkt ins Auge der Kamera. »Umgehend wurden Sanitäter zur angegebenen Adresse geschickt, wo die Haustüre offen stand. Sie fanden die Frau im Schlafzimmer, gefesselt und geknebelt im Bett. Durch ihr geistesgegenwärtiges Handeln gelang es ihnen, der Frau das Leben zu retten, aber sie liegt immer noch auf der Intensivstation. Es ist weiterhin ungewiss, ob sie die Attacke überlebt. Die Wohnung war von derselben Zerstörungswut gekennzeichnet, die sich wie ein roter Faden durch all diese Einbrüche zieht, aber die Schuldigen waren schon über alle Berge.«
»War es denn einer der Verbrecher, der den Notruf alarmiert hat?«, fragt der Nachrichtengeier. Scharf darauf, den Fall vor laufender Kamera quasi live zu lösen.
»Ja, da der Anruf vom Telefon in dieser Wohnung getätigt wurde, gehen wir davon aus, dass es einer der Rowdys war«, antwortet der Vize. »Verständlicherweise ist es für die Ermittlung des Falles äußerst wichtig, die Identität des Anrufers zu lüften. Deshalb haben wir Radio- und Fernsehsender gebeten, die Aufnahme des Notrufs zu senden, in der Hoffnung, dass jemand die Stimme erkennt und uns einen Hinweis geben kann.«
Die Aufnahme ist ultrakurz. Eine aufgeregte Stimme ruft, dass eine Frau einen Herzinfarkt bekommen habe und umgehend Hilfe bräuchte. Die Stimme nennt eine Adresse in Hafnarfjördur. Dann wird der Hörer auf die Gabel geknallt.
Man kann kaum unterscheiden, ob es ein Mann oder eine Frau war.
Die Stimme klang relativ tief und dunkel.
Aber sie kommt mir irgendwie unecht vor. Als ob der Anrufer versucht hat, die Stimme zu verstellen. Wissentlich. Um zu täuschen. Und sich dahinter zu verstecken.
Ich setze mich an den Computer. Checke ab, welche Schuldner mit ihren Ratenzahlungen im Rückstand sind. Schreibe einigen von ihnen einen Drohbrief. Andere rufe ich an und fordere sie zum Zahlen auf.
Denen, die mir blöd kommen, biete ich an, unser nächstes Treffen in den Gerichtssaal zu verlegen. Da geben die meisten der Unverschämtesten normalerweise klein bei. Manche von ihnen flehen mich sogar um eine neue Frist an. Oder wollen über ihre Schulden neu verhandeln.
Manchmal sage ich ja. Befehle ihnen, zu mir ins Büro zu kommen, um einen neuen Vertrag zu unterschreiben. Lasse sie dann die höchsten Zinsen und Inkassogebühren zahlen. Auch ein einträgliches Geschäft.
Heute Mittag treffe ich mich mit einem alten Tratschonkel.
Máki ist bestimmt schon in den Endfünfzigern. Er arbeitet schon seit langem in der Journalistik, bei Printmedien. Hat jetzt in die Internetnachrichten gewechselt.
Mákis Spezialgebiet ist der Klatsch.
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