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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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auffordern werden, mich zu verpissen.
    »Gut«, sagt die Frau, »wenn unser Freund für dich bürgt, kannst du bleiben.«
    »Danke«, erwidere ich und bringe mit meiner gesamten Haltung meine Dankbarkeit zum Ausdruck.
    Als sich das Schweigen zwischen uns hinzieht, stößt die Frau Ilja leicht in die Seite. Der schwankt, fällt aber nicht vom Stuhl.
    »Lass ihn, er schläft«, verlangt der Mann. »Bei ihm ist es jetzt vier Uhr morgens. Du bist also Leonid, ja?«
    »Ja.«
    »Ich habe gehört, du willst Ilja helfen, den Diver-Tempel zu finden?«, erkundigt sich die Frau.
    »Den Diver-in-der- Tiefe -Tempel.«
    »Den soll’s geben«, äußert sich der Mann. »Mhm.«
    Ob das die ganze Zeit so weitergeht? Dass die immer hübsch im Wechsel reden?
    »Und warum willst du ihm helfen?«, fragt die Frau.
    »Ich brauche das Geld.« Ich setze ein geheimnisvolles Lächeln auf.
    »Als ob bei einer Briefzustellung was rausspringt!«, kontert der Mann. »Gib’s zu, du willst einen Hack im Tempel versuchen! «
    »Wie kommst du denn darauf?«, entgegne ich.
    Die Frau grinst, zündet sich eine Zigarette an und hält auch mir die Schachtel hin.
    Das ist ein Marker, warnt mich Vika.
    Ich nehme mir eine Zigarette und zünde sie an.
    Die Hacker blicken sich vielsagend an. Auf der Werteskala dieser Leute bin ich gerade ein paar Stufen gesunken.
    »Das steht dir quasi auf die Stirn geschrieben«, meint die Frau nebulös. »Aber du wirst diesen Tempel nicht knacken. Selbst Dao hat das nicht geschafft. Und der war ein verdammt guter Hacker.«
    Von einem Hacker namens Dao habe ich noch nie gehört …
    »Du willst also Hacker werden?«, will der Mann wissen.
    Es wäre nicht sehr höflich, darauf mit einem Nein zu antworten. »Klar.«
    Ich ernte von beiden ein arrogantes Lächeln.
    »Dann musst du öfter herkommen«, empfiehlt mir die Frau. »Hier sind alle unsere Schüler und Freunde. Siehst du den Jungen mit der Riesenbrille da drüben?«
    Der Junge ist etwa dreißig. Aber seine Brille ist in der Tat beeindruckend.
    »Er ist gestern bei Cray eingestiegen«, informiert mich der Mann.
    Nur gut, dass ich in dem Moment gerade kein Bier trinke, sonst hätte ich mich garantiert verschluckt. Aber so … kann man meinen Gesichtsausdruck auch anders interpretieren.
    »Ein begabter Bursche«, lässt sich die Frau vernehmen. »Du darfst dich nicht von seinem Äußeren täuschen lassen. Er ist vor zwei Jahren zu uns gekommen, da konnte er noch nicht mal Windows Home installieren. Und jetzt diese Erfolge!«
    Ich bringe nach wie vor kein Wort heraus. Wer um alles in der Welt würde bei Cray einsteigen? Deren Superrechner sind nicht mal vernetzt, Deeptown läuft nicht über sie, für die Arbeit in der virtuellen Welt spielen sie keine Rolle. Auf den Dingern ist eine Software installiert, die mit den gängigen Betriebssystemen nicht kompatibel ist. Kurz und gut, wer bei Cray einsteigt, könnte auch eine Dampflokomotive klauen.
    Die auf dem platten Land steht, wohlgemerkt, nicht auf Gleisen.
    Es wäre genauso einfach wie überflüssig.
    »Es liegt also alles bei dir«, schließt der Mann.
    »Super!«, bringe ich mit letzter Kraft heraus. »Das hätte ich nicht für möglich gehalten!«
    Die nächsten Minuten rauchen wir und trinken unser Bier. Im Grunde weiß ich, was ich wissen will.
    Aber man soll nie halbe Sachen machen.
    »Verratet ihr mir vielleicht eure Namen?«, frage ich. »Das wäre irgendwie einfacher.«
    Erneut ernte ich von den beiden dieses wissende Lächeln.
    »Nenn mich Keys«, sagt die Frau.
    »Und mich Byrd«, sagt der Mann. »Unsere richtigen Namen kennt niemand.«
    »Weshalb ich eigentlich gekommen bin …«, stammle ich. »Ilja hat gesagt, dass ihr bloß ein paar Stunden bräuchtet, um den Diver-in-der- Tiefe -Tempel zu finden …«
    »Das stimmt«, bestätigt Keys.
    »Null problemo«, fügt Byrd hinzu.
    »Ehrlich gesagt, habe ich schon das eine oder andere versucht …« Ich grinse verlegen. »Ich kenne da einen Diver … einen Ex-Diver. Er hat mir versprochen, mir den Tempel zu zeigen, aber irgendwie kommt er nicht zu Potte. Aber wenn ihr den Tempel auch finden könnt … warum sollte ich dann meine Zeit weiter verplempern?«
    Die Hacker wechseln beredte Blicke.
    »Wir können dir da gerade nicht helfen«, sagt die Frau schließlich. »Wir haben für solche Albernheiten im Moment nämlich keine Zeit. Stimmt doch, oder, Byrd?«
    »Absolut, Keys«, bestätigt der Mann. »Leider.«
    Eine feierliche Stille hängt im Raum. Jetzt müsste ich

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