Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)
feststellt. Anscheinend eines Menschen. Noch dazu mit Rückkopplung. Und sogar mit Prognosen und KI-Elementen.«
»Die moderne Technik ist noch nicht so weit, dass eine künstliche Intelligenz möglich wäre!«, ereifert sich Maniac.
»Stimmt«, räumt Bastard ein. »Aber hier geht es ja auch nicht um einen einzelnen Rechner. Die zielen auf eine Anbindung an die Netzressourcen. Das bedeutet eine Umverteilung der Daten … der allgemein zugänglichen genauso wie der persönlichen, das bedeutet Stromverschlüsselung und Decoder.«
»Man muss solche Berichte von hinten anfangen«, erkläre ich da und schlage das Buch auf den letzten Seiten auf.
»Ein Resümee«, ruft Pat erleichtert aus. »Das lese ich auch immer zuerst!«
»Das Projekt Artificial nature wurde drei verschiedenen Testserien unterzogen«, lese ich vor. »Wie bereits dargelegt …«
Da wir die Berichte zu den Experimenten, die sich irgendwo zwischen den Beschreibungen der Software und dem Resümee finden, nicht gelesen haben, verstehen wir diesen Bezug nicht. Aber er wird schon stimmen. Romka hat das vermutlich ebenso gesehen, denn auch er muss das Buch von hinten angefangen haben.
»Durch die Nutzung von Datenbasen Dritter bei der Programmierung des Ausgangsverhaltens, das Kopieren von Reaktionen der (menschlichen) Probanden und die Analyse der Effizienz der eigenen Handlungen konnten Resultate erzielt werden, die weit über die bisherigen Werte für eine Künstliche Intelligenz hinausgehen. Bei Erhöhung der Kapazitäten des Operationssystems sowie bei Ausweitung des Lebensraums der virtuellen Figur dürfte die KI mit der Zeit jene Parameter aufweisen, die als Schwellenwerte des Verstandes gelten. Einige Besonderheiten des eingespeisten Ausgangsverhaltens müssen indes – bei aller Effizienz für die rasche Entwicklung und Selbstvervollkommnung der Figur – als inadäquat für die weitere Arbeit betrachtet werden. Daher sollte die Testserie in den nächsten zwei bis drei Monaten eingestellt
werden, danach sollten die Versuche an Figuren mit einem weniger aggressiven Ausgangspotenzial wieder aufgenommen werden.«
»Ich weiß, wer damit gemeint ist«, sagt Pat zu unserer Überraschung. »Ganz genau.«
Ich sehe ihn an und nicke. Wenn ich mich nicht täusche, zittert Pat leicht.
Es ist eine Sache, Geisel in einem Spiel zu sein.
Aber es ist eine ganz andere zu verstehen, dass dich ein lebendiges Wesen gepackt hat, um sich hinter dir vor einem Raketenwerfer in Deckung zu bringen. Ein Wesen, das schon fast über Intelligenz verfügt. Der Imperator, der an das letzte Level des Spiels gekettet ist. Der ein ums andere Mal in den Kampf ziehen muss, der unbesiegbar und stark ist – und trotzdem ein ewiger Verlierer.
»Sollen sie doch alle … Halt dir die Ohren zu, Pat!«, brüllt Bastard. »Sollen sie doch …«
»Halt den Mund!«, fährt Dschingis ihn an. »Gut, jetzt wissen wir, dass sie Experimente zur KI durchführen und dafür eine Figur aus einem Internetspiel nutzen. Das ist im Grunde eine brillante Idee. Unbedingt rentabel, schließlich sind sie für die Programmierung des Imperators sogar noch bezahlt worden. Erinnert ihr euch an das Lamento von Crazy? Darüber hinaus verhindern die exzellenten Verteidigungssysteme des Labyrinths, dass ihre Figur ausbricht oder Hacker zu ihr vordringen können. Zudem ist der permanente Zustrom neuer Spieler, die ständig die Taktik und die Strategie ändern, gewährleistet. «
»Was heißt hier Strategie!«, empört sich Bastard. »Der hat mich allein mit seinem Blick in Flammen aufgehen lassen!«
»Ja und? Das ist das aggressive Ausgangspotenzial – hast du etwa nicht zugehört? Und diese Aggression ist leider nicht verwunderlich.
Denn die Notwendigkeit, sich zu verteidigen und anzugreifen, ist nun einmal der Motor jeder Evolution. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass diese Evolution im virtuellen Raum stattfindet und der Imperator anstelle eines Körpers nur elektrische Impulse hat. Das Ganze ist sehr gut durchdacht – widerlich, aber intelligent.«
Bastard atmet laut ein und aus, sagt jedoch kein Wort.
»Ich habe mal ein Buch gelesen«, ergänzt Dschingis, »in dem der positive Held der positiven Heldin auseinandergesetzt hat, was nötig ist, um zu siegen. ›Werde böser als die Bösen, werde gemeiner als die Gemeinen.‹ Und diese positiven Figuren des Buches sollten als human gelten. Was erwartest du da von Geschäftsleuten, Bastard? Wenn selbst ein Schriftsteller, der glaubt, seine
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