Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)
oben?«, will Bastard wissen.
Pat stürmt derweil bereits schweigend die Treppe hoch. »Hier sind Bilder!«, erklingt kurz darauf seine begeisterte Stimme. »Coole Bilder!«
Der Magier lässt sich zu Boden plumpsen, klaubt sich ein paar Kissen zusammen und sieht uns mit zufriedenem Blick an.
»Wo ist der Brief?«, kommt Maniac als Erster zur Sache.
»Der wird gleich zugestellt«, beruhige ich ihn. »Was ist euch passiert?«
»Erinner mich nicht daran«, sagt Dschingis. »Dieses Schwein von Imperator hat mich in zwei Teile gerissen …«
»Das ist noch gar nichts«, schnaubt Maniac. »Ich weiß jetzt, was ein Mensch fühlt, dessen Kopf getrennt vom Rest seines Körpers über den Boden rollt. Und der Magier …«
»Das ist nicht nötig!«, fällt ihm Zuko ins Wort. »Bloß kein Gerede!«
»Und Nike?«, will Dschingis wissen. »Ist sie ein Diver?«
»Ja. Und offenbar der Dark Diver. Er hat uns also doch überlistet … jedenfalls fast.«
»Pat hat uns erzählt, was vorgefallen ist«, sagt Dschingis. »Was ist mit Crazy? Hat er sich noch nicht gemeldet?«
Ich sehe auf den Pager. »Bisher noch nicht. Komisch.«
Eine Welle der Nervosität erfasst uns alle. Das ist wirklich komisch. Aber wir können nichts machen, nur warten …
»Schurka, du hast Dick doch mitgeteilt, dass mit mir alles in Ordnung ist?«
»Ja. Ich habe ihm eine SMS auf den Pager geschickt.«
»Der Imperator kann Crazy doch nicht tatsächlich getötet haben, oder?«, frage ich, als erwarte ich, von den anderen eine Antwort zu erhalten. »Euch hat er doch auch alle umgebracht … ohne dass es Konsequenzen gehabt hätte.«
»Was hat dich eigentlich so lange aufgehalten?«, will Bastard wissen.
»Dmitri Dibenko ist hier gewesen. Wir haben miteinander gesprochen. «
Stille tritt ein.
»Was wollte er?«, fragt Dschingis irgendwann.
»Dass ich die Daten lösche. Er sagt, der Dark Diver würde sie um jeden Preis an sich bringen wollen. Und dass wir alle, vor allem aber ich, in Lebensgefahr sind, wenn wir diese Daten nicht vernichten. Das Absurde an der Sache ist … er hat mich sogar aufgefordert, mir die Dateien anzusehen. Er ist sich nämlich völlig sicher, dass ich danach mit ihm übereinstimme.«
In diesem Moment klopft es zart an die Tür.
»Da kommt unser Brief«, sagt der Magier und reibt sich die Hände.
»Oder der Dark Diver …«, ergänzt Maniac.
Darüber könnte man lange spekulieren.
Und außerdem könnten die anderen mich fragen, ob es in diesem Diver-Tempel einen simplen Spion gibt.
Da ich die Antwort nicht kenne, gehe ich zur Tür und öffne sie.
»Die Firma HLD, Zustellungsdienst für schwer zu ermittelnde Korrespondenz«, leiert der rotblonde Junge vor der Tür los. »Ist das der Tempel …?« Da hebt er den Blick – und die Gesichtszüge entgleiten ihm. »Leonid?«, fragt er. »Bist du das?«
»Ja.«
Welchen Schluss er jetzt wohl zieht?
»Willst du mich verarschen?«
Die letzten Tage passieren vor meinem inneren Auge Revue. Wie ich Bastard aufgespürt habe. Romkas Tod. Die Versuche, das Labyrinth des Todes zu bewältigen. Der Besuch des Dark Divers. Nike, die (oder der) uns fast getäuscht hätte. Der Imperator, der sich so verhalten hat, wie sich ein Programm niemals verhalten kann. Die Brücke. Der Besuch des Mannes Ohne Gesicht.
Und all das, um einen Teenie auf den Arm zu nehmen? Um ein paar lustige Abenteuer zu erleben …?
»Das ist der Diver-in-der- Tiefe -Tempel«, sage ich. »Gib mir den Brief!«
»Aber was machst du denn hier?«
»Ich arbeite hier.« Eine fast ehrliche Antwort. »Es ist alles in Ordnung, du hast deinen Brief richtig abgeliefert.«
Ilja sieht mich zweifelnd an, dann langt er nach der Ledertasche, die an seinem Gürtel hängt.
»Na, komm erst mal rein!«, fordere ich ihn auf und schiebe ihn sanft am Ellbogen in den Tempel.
Die illustre Gesellschaft, die sich im Turm versammelt hat, irritiert Ilja überhaupt nicht.
»Hallo!«, begrüßt er die anderen. »Wer unterschreibt?«
»Er.« Maniac nickt in meine Richtung. »Er unterschreibt.«
Nun zieht Ilja den Brief aus der Tasche. Es ist ein großer fester Umschlag, der bereits leicht beschmutzt und zerknickt ist. Er scheint leer zu sein.
»Und?«, murmelt Ilja, als er auf das Kuvert starrt. »Wo bleibt der Brief denn?«
Er will genauso gern wie wir sehen, dass der Brief sich materialisiert, dass die Adresse des Tempels als richtig anerkannt worden ist und die Server von HLD die Daten in den leeren Umschlag übertragen. Sein Wunsch,
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