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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Welt?«
    »Na gut, dann eben im Nebenjob.«
    »Lieber nicht. Es reicht, wenn wir einen Verrückten in der Familie haben, der nicht mehr aus der Tiefe rauskommt.«
    »Leonid …«
    Ich sah Vika in die Augen.
    »Finde den Dark Diver! Finde ihn und rede mit ihm. Frag ihn, was er eigentlich will.«
    »Der ist selbst darauf aus, mich zu finden. Ich habe nämlich das Gerücht gestreut, Dibenko hätte mich angeheuert, damit ich den Dark Diver umbringe.«
    »Und nun ist diese Ente Realität geworden … Aber du hast nicht vor, ihn wirklich umzubringen, oder?«
    »Nein. Nehme ich jedenfalls an.«
    »Dieses Nehme ich jedenfalls an schlag dir besser aus dem Kopf. Der Security-Typ hat vielleicht nicht gewusst, was er tat, als er den Schuss abgegeben hat. Aber du weißt es. Und du würdest es nie vergessen. Niemals.«
    Sie redete sehr ernst, meine Vika.
    »Er hat bereits auf uns geschossen, Vika.«
    »Nur weil ihr damit angefangen habt.«
    »Mag sein. Aber er ist in ein fremdes Haus eingebrochen.«
    »Weil er den Dialog gesucht hat!«
    »Vika, er hat eine Waffe der dritten Generation.«
    »Das behauptet Dibenko. Aber was, wenn der Dark Diver nur blufft? Oder euch nur drohen will? Bisher hat er schließlich noch niemanden umgebracht, oder?«
    »Wenn er jemanden tötet, dann werde ich mich ebenfalls mein Leben lang daran erinnern. Und ich weiß nicht, was schmerzhafter für mich sein wird: zu wissen, dass ich ihn getötet habe, oder zu wissen, dass er einen Freund von mir getötet hat.«
    »Leonid …« Sie seufzte, dann schmiegte sie sich wieder an mich. »Ljonka … Ljonka …«
    Warum war ich bloß so störrisch?
    Wollte ich mich rächen?
    Oder war ich bloß nicht bereit zu verzeihen?
    Oder – und das wäre das Schrecklichste – beneidete ich diesen Diver, der seine Kraft uneingeschränkt bewahrt hatte? Bewahrt – und dann all die Regeln und Normen über Bord warf, die uns Diver immer im Zaum gehalten hatten.
    War es womöglich genau das, worum ich ihn beneidete?
    Diese kecke Chuzpe, mit der der Dark Diver Jagd auf Dibenko machte, mit der er den Schöpfer der Tiefe zwang abzutauchen? Diesen spielerischen Übermut, mit dem er in Dschingis’ Haus eingedrungen war und uns ein Gespräch aufgenötigt hatte? Diese Leichtigkeit, mit der er den Abzug gedrückt hatte, nicht im Labyrinth des Todes, sondern in der ganz normalen Welt von Deeptown?
    Ich wusste nicht, wer ihn aus welchem Grund Dark Diver nannte. Vielleicht verdiente er diesen Namen wirklich. Wenn er
sich jedoch selbst so getauft hatte, sah die Sache übel aus. Denn dann galt: Nomen est omen.
    »Tu nichts, was du nicht rückgängig machen kannst, Ljonka!«
    »Du hast ja recht.«
    »Tu das niemals. Wenn du einmal sagst: ›Ich hasse dich‹, dann machst du das auch durch zehn: ›Ich liebe dich‹ nicht wieder wett. Und ein Mord …«
    »Ich weiß! Aber einen Mord hat es bereits gegeben!«
    Ich verstummte und lauschte meiner eigenen Stimme nach. Wollte ich mich rächen? Oder konnte ich nicht verzeihen? Das war die Frage.
    »Vika …«
    Jetzt wurde ihr Gesicht doch nass, und ich schmeckte das Salz.
    »Vika, ich werde es versuchen. Ich werde mir wirklich alle Mühe geben.«
    »Du bist ein Diver, Ljonka. Vergiss das nicht!«
    »Ich …«
    Unsere Hände wurden heiß.
    Jedes Wort war nun überflüssig.
    »Ich bin kein Diver, Vika … Hier und jetzt bin ich kein Diver.«
    »Wann hast du eigentlich das letzte Mal geschlafen?« Sie lächelte. »Bist du sicher …?«
    Ich nickte.
    »O ja. Diese Nacht will ich keine Sterne sehen. Und auch nicht über Feinde sprechen.«
    Vika nickte. Und ich sah, wie sie unter Tränen lächelte.
    »Gut … Die Sterne können warten. Ich werde sie darum bitten. Und irgendwelche Feinde brauchen wir nicht um Erlaubnis zu fragen.«

10
    Morgens aufzuwachen ist eine feine Sache.
    Und zwar tatsächlich morgens. Nicht mittags, wenn grelles Sonnenlicht durch die Gardinen fällt, der Verkehr lärmt, Kinder plärren, und der Kopf nicht frei, sondern immer noch schwer ist.
    Um acht Uhr morgens aufzustehen – das ist für einen Einwohner Deeptowns geradezu eine Heldentat.
    Vika hantierte bereits in der Küche und sang leise vor sich hin, begleitet vom laufenden Fernseher. Ein köstlicher Duft hing in der Wohnung. Ich könnte mich noch ein wenig im Bett aalen, ohne an die Tiefe zu denken, an die kleinen und großen Auseinandersetzungen, an überflüssige Heldentaten oder an die perfiden Intrigen der virtuellen Welt – Intrigen, deren Platz im Mülleimer sein

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