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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Auf Objektivität, Freiheit und Mut! Nicht auf die Fähigkeit, Löcher in Programmen zu entdecken oder diese Löcher einzureißen …«
    »Du hast das Gewissen vergessen, Vika.«
    »Das Gewissen tut in dem Fall gar nichts zur Sache. Selbst ein gewissenloser Mensch bleibt ein Diver. Allerdings ein Dark Diver.«
    »Der hat immerhin seine Fähigkeiten nicht verloren.«
    »Das heißt nur, dass auch du deine Fähigkeiten wiederentdecken kannst! Du bist ja sogar schon über diese Brücke gegangen! «
    »Das … war doch was ganz anderes.«
    »Ach ja? Weißt du noch, wie wir über deine Fantasien gelacht haben … wie du geträumt hast, du wärest ohne jede Telefonverbindung in den virtuellen Raum eingetreten … dass du zum Flughafen gefahren bist, um mich abzuholen … Aber was davon war Traum und was Wirklichkeit, Ljonka? Zu welchem Zeitpunkt ist dir das Telefon tatsächlich abgestellt worden? Damals hast du etwas vollbracht, wozu sonst niemand imstande war! Du bist durch Wände gegangen, hast über Gewehrkugeln gelacht und dich in jedes Eckchen des Internets ausgedehnt. Und das war kein Traum! Wir haben uns geküsst und sind am Himmel über Deeptown dahingeflogen … Oder hast du das vergessen?«
    »Und dann ist der Loser gegangen und hat alles mitgenommen, was er mir gegeben hat.«
    »Wirklich alles? Denk an die Brücke, Ljonka! Du hast bereits im Traum angefangen, sie zu überqueren. Wie oft? Zweimal, dreimal? «
    »Viel öfter. Ich habe es dir bloß nicht jedes Mal erzählt.«
    »Warum nicht?« Sie rückte etwas von mir ab.
    »Damit … damit du nicht begreifst, was eigentlich mit mir los ist.«
    »Hast du wirklich geglaubt, ich würde das nicht auch so verstehen? « Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe zwar nichts gesagt, das stimmt. Aber du glaubst doch wohl nicht allen Ernstes, dass ich auch nichts verstanden habe?!«
    »Tut mir leid.«
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Aber du bist über diese Brücke gegangen, Leonid. Du bist ohne Netz, ohne Rechner und ohne Modem …«
    »Eben hast du selbst eine andere Erklärung gegeben …«
    »Eben habe ich alles Mögliche gesagt …«
    »Ich weiß nicht, was ich tun soll«, gestand ich leise, als wollte ich um Mitleid heischen.
    »Denk nach, du bist schließlich ein Diver. Und erzähl mir mal …« Vika zögerte, rückte etwas von mir ab und sah mich streng und forschend an.
    »Was ist?«
    »Wann bist du dahintergekommen, dass Nike ein Diver ist?«
    »Als Nike die Trosse genauso gut runtergekommen ist wie wir Diver.«
    »Ja … da hätte ich mich zügeln sollen. Und wann ist dir klar geworden, dass ich Nike bin?«
    »Erst am Ende. Erst im Palast.«
    »Als du Nike gesagt hast, dass sie dir gefällt, hast du also noch gar nicht gewusst, dass ich das bin?«
    »Aber das warst doch du!«
    »Aber das war dir nicht klar.«
    Mist. Da hatte ich mir was eingebrockt.
    »Ich habe es gespürt …« Ich lächelte. »Vika, wahrscheinlich habe ich einfach gespürt, dass du das bist. Wie … wie in dem Märchen, wo der Prinz seine Prinzessin unter Hunderten von Mädchen erkennt, deren Gesicht verhüllt ist.«
    Ich könnte jetzt viele schöne Worte sagen.
    So viele, dass ich sie am Ende selbst glauben würde: Ja, ich habe es gespürt, geahnt, gewusst …
    Doch damit würde ich mir nur eine Maske aufsetzen, fast so, wie ich in Deeptown in meine Avatare schlüpfte. Ich würde Vika sicher dazu bringen, mir zu glauben, denn genau das wollte sie ja, auch wenn sie die Lüge erkannte. Meine Lüge wäre also keine Mauer, im Gegenteil, sie wäre eine Brücke. Dann wäre ich völlig unschuldig – denn welche Schuld sollte ich mit dem Kompliment,
sie gefalle mir, schon auf mich geladen haben? Selbst bei einer ausgesprochen puritanischen Moral wäre das nichts Schlimmes. Und Vika war nun weiß Gott nicht puritanisch.
    Ich bräuchte also nur zu dieser kleinen Notlüge zu greifen …
    »Wenn ich ehrlich sein soll«, sagte ich, »habe ich nichts gespürt. Und wenn ich doch etwas gespürt habe, dann ist mir das nicht bewusst gewesen. Nike hat mir einfach gefallen. Sie ist eine attraktive und entschlossene Frau.«
    Ich hatte keine Ahnung, wie Vika darauf reagieren würde. Früher hätte ich es gewusst. Aber heute nicht mehr.
    »Sie hat mir selbst auch gut gefallen«, erwiderte Vika lächelnd. »Es ist meine zweitliebste Figur, gleich nach Madame. Ich hatte sogar tatsächlich den Wunsch, in diesem dämlichen Labyrinth des Todes zu arbeiten.«
    »Und was ist mit deiner Stelle in der realen

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