Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
fragen. Oder auch Fußgänger. Ich könnte ein Taxi anhalten.
    Doch ich spüre den Dark Diver so klar, wie er mich umgekehrt wohl auch.
    Die Passanten weichen mir aus, als ich die Straße hinunterhetze.
    Vika, verzeih mir, ich habe dir versprochen, kein Risiko einzugehen. Aber die Fähigkeit, die Tiefe zu verlassen, ist mir genommen worden …
    Vika, ich habe dir gesagt, ich würde versuchen, einen Kompromiss zu finden. Offenbar habe ich dich da angelogen.
    Denn ich suche keinen Kompromiss mehr.
    Nach links!
    Der Dark Diver rennt ebenfalls. Mit dem schweren Datenpaket in der Hand rast er durch die Straße, macht nicht die geringsten Anstalten, zum Himmel aufzusteigen oder durch Mauern zu gehen.
    Als ob er nur ein ganz normaler User wäre.
    Dem es gerade nicht sonderlich gutgeht.
    Noch mal nach links!
    Inzwischen sehe ich den Dark Diver bereits. Mich trennen höchstens noch hundert Meter von ihm. Bei seinem Anblick ziehe ich die Waffe des Revolvermanns und wundere mich sogar noch über mich selbst: Ich will nicht seine Kiste vernichten – ich will ihn töten.
    Als der Dark Diver sich nun zu mir zurückdreht und mich kurz ansieht, messen wir einander mit Blicken.
    Dann verschwindet er.
    Löst sich in Luft auf.
    Niemand achtet darauf. Jeder hält es für einen Standardaustritt aus der Tiefe . Die Wahrheit kennt nur er. Und ich.
    »Du entkommst mir nicht«, raune ich.
    Vielleicht hört er mich ja. Wenn nicht, wird er es womöglich hören, sobald er wieder einen virtuellen Körper annimmt.
    »Du musst mich schon umbringen, um mir zu entkommen, hörst du?«, schreie ich. Die Leute weichen mir aus und sehen mich an, als ob ich verrückt wäre. »Aber das traust du dich nicht, oder?«
    Tiefe, Tiefe … ich bin nicht dein.
    Die Displays des Helms. Eine gezeichnete Straße.
    Ich nahm den Helm ab und rang gierig nach Atem.
    Die Uhr zeigte halb elf. Vika war noch nicht wieder zu Hause. Also konnte ich sie nicht einmal um Rat fragen.
    Aber worauf kam es mir im Moment denn an? Auf ihren Rat? Oder auf Klarheit?
    Inzwischen war eine Viertelstunde seit dem Schuss vergangen.
    Ich griff nach dem Telefon und rief Dschingis auf dem Handy an. Ich hatte Angst, fürchtete, er wäre zu spät gekommen und hätte es nicht geschafft …
    »Ja!«
    Als ich Bastards Stimme höre, wunderte ich mich nicht einmal darüber, ihn am Apparat zu haben.
    »Wie sieht’s aus?«
    »Er lebt«, teilte mir Bastard kurz angebunden mit. Ich spürte, wie mir ein Stein vom Herzen fiel.
    »Ist alles in Ordnung?«
    »Was heißt hier in Ordnung?! Pat wiederholt ständig meinen Code. Dschingis hat ihm schon gesagt, er würde ihn beim nächsten Mal nicht retten. Trotzdem wiederholt er immer wieder diese Worte.«
    »Das ist doch ein gutes Zeichen«, entgegnete ich. »Es bedeutet, dass er nicht unter einer Amnesie leidet. Und dass sein Gehirn keinen Schaden davongetragen hat.«
    »Welches Hirn soll bei ihm denn einen Schaden davontragen? «, fragt Bastard absichtlich laut zurück. Ich vernahm eine zarte empörte Stimme. Dann hörte ich etwas rascheln, als ob Bastard sich von den anderen entfernen würde. »Erklär mir mal lieber, was Dschingis da angestellt hat«, verlangt er nun mit gedämpfter Stimme.
    »Er ist zu einem Diver geworden.«
    »Und wie hat er das gemacht?«
    »Danke deinem Schöpfer, dass er dir das nicht abverlangt hat, Bastard! Und jetzt ruf lieber den Notarzt! Jemand soll sich Pat besser mal ansehen.«
    »Das haben wir längst getan. Hast du den Arsch erwischt?«
    »Noch nicht. Aber er entkommt mir nicht. Jetzt nicht mehr.«
    »Leonid …« Bastard stieß einen Seufzer aus. »Lass es gut sein. Sonst gibt’s noch ein Unglück. Und darauf können wir ja wohl verzichten. Schließlich sind wir alle am Leben. Und das soll doch auch so bleiben, oder?«
    »Keine Sorge, Bastard. Es kommt sowieso … wie es kommen muss.«
    »Leonid!«
    »Ich mache keinen Unsinn, glaub mir! Trink ein Bier. Und gib Dschingis einen Kognak. Grüß Pat von mir … und bitte ihn um Verzeihung.«
    »Wofür?«
    »Einfach so. Tschüs, Bastard.«
    Ich beendete das Gespräch und setzte den Helm wieder auf.
    Deep.
    Enter.
    Ich nehme den Regenbogen des Deep-Programms nicht mal wahr. Ich mache lediglich einen Schritt – der mich von der realen Welt in die Tiefe bringt.
    Vor mir stehen zwei junge Frauen.
    »Der tut nur so!«, sagt die eine von ihnen.
    »Eben nicht! Der ist längst abgehauen. Und das ist bloß eine Attrappe!« Die andere streckt die Hand aus und schnippt leicht gegen mein

Weitere Kostenlose Bücher