Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
allein die Tatsache, dass mir meine Pistole abgenommen worden ist, würde mich vor diesem Schritt zurückschrecken lassen.
    Deshalb ziehe ich mich umgehend aus, werfe meine Sachen auf einen Haufen anderer Kleidung, der sich bereits auf dem Boden gebildet hat, und stelle mich unter die Dusche.
    Das Wasser ist grünlich und riecht scharf nach Chemie. Wie haben die bloß diesen medizinischen Gestank hingekriegt?
    Ich dusche mich lange und gründlich. Allmählich amüsiert mich das Ganze. Die Sergeanten stiefeln durch den Raum, um
Neulinge erst unter die Duschen und anschließend in die Wannen zu treiben. Sobald diese mit dem Glasdeckel verschlossen werden, bildet sich in ihnen milchiger Nebel.
    »Das ist eine Dusche, du Blödmann, keine Sauna!«
    Der Schlag gegen meine Rippen tut nicht besonders weh. Aber er stellt eine Form der Demütigung dar. Vor allem wenn du nackt bist und es eine Frau ist, die auf dich einknüppelt.
    »Das sollten Sie besser unterlassen, Sergeantin«, bemerke ich.
    »Du hast mir gar nichts zu sagen!«, zischt die Schwarze. »In die Anabiosezelle mit dir! Auf der Stelle!«
    Als ich unter der Bewachung der Schwarzen zur nächsten freien Wanne gehe, rechne ich felsenfest mit einem Arschtritt ihrerseits.
    In diesem Moment steuert Nike auf die Wanne neben meiner zu. Auch sie ist nackt. Unsere Blicke kreuzen sich.
    Selbst wenn das hier eine virtuelle Welt ist und die Körper nur gezeichnet sind, macht sich doch eine gewisse Verlegenheit breit. Mit der Sergeantin ist das irgendwie anders, die erledigt bloß ihren Job.
    Wie ich im Grunde ja auch.
    »Beeilung!«
    Ich zwinkere Nike zu.
    Am Wannenboden steht eine Flüssigkeit, aus der irgendwelche Düsen und Elektroden herausragen. Das Ding ist eine Mischung aus Jacuzzi und elektrischem Stuhl. Genauer gesagt aus elektrischer Wanne.
    Beim Hineinklettern zieht mir die Schwarze noch einmal den Knüppel über – und diesmal tut es verdammt weh. Noch ehe ich jedoch darauf reagieren kann, schließt sich die Glashaube über mir, quillt Nebel aus den Düsen.
    »Das wirst du noch bereuen!«, schreie ich, während ich mich in Schmerzen winde und die Knie gegen das Glas presse.
    Doch schon zucken aus den stumpfen Kegeln der Elektroden blaue Blitze. Dann wird alles dunkel …
     
    Die Zeit ist aufgehoben. Es gibt nur noch Dunkelheit.
    Irgendwo weit in der Ferne heulen allerdings wehmütig Sirenen.
    Ich öffne die Augen und stiere auf die eingeschlagene Glasabdeckung. Durch ein Loch im Glas zieht langsam der weiße Nebel ab.
    Ist das Raumschiff etwa schon gelandet?
    Aber warum ist es dann so dunkel? Warum brennen nur zwei oder drei matte Lampen an der Decke?
    Und die Glashaube der Anabiosewanne … warum ist die zerstört?
    Ich stemme mich gegen diesen Deckel, doch nichts rührt sich. Bei dem Versuch, das Loch im Glas zu vergrößern, schneide ich mir zwar die Hände auf, breche aber immerhin ein gewaltiges Stück heraus. Durch diese Öffnung müsste ich mich quetschen können.
    Ein grauenvoller Anblick bietet sich mir.
    Eine Hälfte des Saals ist völlig demoliert, die Wannen sind zerschlagen, aus einigen hängen verrenkte Körper heraus, der Fußboden ist von Blutlachen bedeckt.
    Etwas Schreckliches muss diesem Raumschiff widerfahren sein.
    Ich sehe zu den Wannen neben mir hinüber, aber deren Glashauben stehen offen. In ihnen ist niemand mehr.
    Also haben sie mich wohl für tot gehalten? Und sind schon gegangen?
    Rasch durchkämme ich den Saal auf der Suche nach einer Waffe, habe aber keinen Erfolg. Immerhin entdecke ich einen toten Sergeanten, der etwa meine Größe hat. Sein Kopf scheint von einem gigantischen Beil gespalten worden zu sein – und
zwar derart akkurat, dass die Form des Schädels noch immer zu erkennen ist, ja, dass der Kopf nicht einmal blutverschmiert ist. Ohne zu zögern, ziehe ich ihm seine Sachen aus, denn genau dafür liegt er da, der Unglücksrabe: damit ich was zum Anziehen bekomme.
    Aber wo zum Teufel sind die Waffen?!
    Irgendwie ist dieser Auftakt nicht ganz fair.
    Ich trabe aus dem Saal in einen Gang. Das Licht ist überall gleich trüb und unwirklich. Obwohl ich auch hier alles gründlich inspiziere, finde ich keine Waffe, nur eine Taschenlampe, die jemand vergessen hat.
    Das Ganze fixt mich immer mehr an. Warum bin ich bloß so lange nicht im Labyrinth gewesen?!
    Nach einer Viertelstunde entdecke ich endlich den Ausgang. Das ist keine Luke, sondern ein eingerissenes Stück Wand mit abgeschmolzenen Rändern. Sacht berühre ich das

Weitere Kostenlose Bücher