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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Metall. Es ist noch heiß. Vorsichtig stecke ich den Kopf durch das Loch.
    Was für eine Landschaft!
    Ein hoher, lilafarbener Himmel, über den, ebenfalls in erstaunlicher Höhe, Wolken driften. Vögel ziehen ihre Kreise und stoßen hin und wieder ein trauriges, kehliges Krächzen aus.
    Als ich aus dem Raumschiff springe, komme ich unglücklich auf, verletze mich aber nicht wirklich. Ich entferne mich ein paar Schritte vom Schiff, um es besser betrachten zu können. Das riesige, mindestens dreihundert Meter lange Raumschiff liegt auf dem Boden, halb aufgerissen, weil es gegen einen Felsen gerammt ist. Eine harte Landung.
    Außer mir ist sonst weit und breit niemand.
    Wo sind bloß meine Unglücksgefährten geblieben, die die Landung ebenfalls überstanden haben?
    Erst fünf Minuten später, als ich mich einer Felskette nähere, stoße ich auf den ersten Menschen.
    Eine Frau. Es ist Nike. Genauer gesagt, ein Teil von ihr. Der andere Teil besteht nur noch aus blutigen Erdbrocken. Sie wurde in einer Weise in die Erde gepresst und derart verquirlt, wie es sich selbst Hieronymus Bosch in seinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt hätte.
    Ihre tote Hand hält immer noch eine Pistole umklammert …
    »Ach, Mädchen«, sage ich seufzend. »Hast du nicht behauptet, es wären alles bloß Marionetten und Puppen?«
    Für mich ist sie in diesem Moment jedenfalls genau das: eine Marionette. Die aufgetaucht und gestorben ist, damit ich eine Waffe erhalte.
    Oder ist am Ende doch alles purer Zufall?
    Ich sehe mir die Waffe genauer an. Die Pistole spuckt blaue Flammen aus, wobei man die Schussintensität verstärkt, wenn man den Abzugshahn etwas länger gedrückt hält. Laut Anzeige ist die Waffe noch fast vollständig geladen.
    Damit sah die Sache schon besser aus. Mit einer solchen Waffe würde nur der letzte Idiot den Kürzeren ziehen.
    In weit besserer Laune halte ich auf die Felsen zu.
    Die Vögel krächzen noch immer traurig am Himmel. Ich kämpfe gegen die Versuchung an, sie abzuballern.
    »Ich bin der Revolvermann!«, sporne ich mich selbst an. Ich vertraue auf jenen alten Kampfeseifer, der mich immer getragen hat – bis dann echte Aggressivität aufkam. »Ich bin der Revolvermann! «
    Eine Höhle in den Felsen erregt mein Misstrauen. Leider muss ich da durch. Mit der Pistole im Anschlag schalte ich die Taschenlampe ein und betrete sie. Die Höhle geht bald in einen Tunnel über, der sich zwar grob ausnimmt, aber dennoch eindeutig künstlichen Ursprungs ist. Ein Ort wie geschaffen für einen Gegner, der auf mich lauert …
    Na bitte!
    Mein Feind verrät sich durch seinen schnaufenden Atem und dumpfe Schritte. Ich bringe mich an einem Knick in Deckung, presse mich gegen die Wand und warte.
    Das Wesen, das dann vor mir auftaucht, gleicht einem überfetteten und leicht zerzausten Bären, der sich auf den Hinterpfoten fortbewegt. Es ist zwei Kopf größer als ich. Sobald ich den Abzug ziehe, schlägt eine Serie blauer Blitze in die Brust des Monsters ein.
    Direkt in die matten Platten seiner Rüstung.
    Doch das Monster gibt nicht einen Schrei von sich. Wahrscheinlich hält er das für unter seiner Würde. Dafür zischt aus seiner Schulter eine kurze, stumpfe Rakete.
    Scheiße.
    Das tut weh.
    Mein Sterben dauert fünf Sekunden – was nach meiner unmaßgeblichen Meinung viel zu lange für einen Menschen dauert, der schon über den Boden verschmiert ist. Ich registriere noch, wie das Wesen sich über mich beugt und mit seiner Pfote nach meiner Pistole grapscht, ich sehe noch die Platten seines Panzers, die durch meine Schüsse etwas geschwärzt sind und ein paar Beulen davongetragen haben.
    Dann bin ich tot.
     
    »In die Dusche mit dir, du Arschgeige! Was glotzt du so blöd?!«
    Dieses Mal staucht mich ein junger Typ zusammen, der ebenfalls eine Sergeantenuniform trägt. Immerhin schlägt er mich nicht mit dem Knüppel, was ja schon mal ein Fortschritt ist.
    Heißt das, du musst jedes Mal mit der Dusche vor dem Abflug anfangen? Und nackt, von blutigem Schleim bedeckt von den Toten auferstehen?
    Nike ist übrigens auch wieder mit von der Partie.
    Die Frau ist etwas verwirrt. So, so.
    Wer ist denn jetzt ein echter Mensch? Und wer eine Puppe? Und was spielt das für eine Rolle – wenn wir alle im selben Boot sitzen?
    »Ihr habt die Hosen wohl voll?«, brüllt der Sergeant nun alle Anwesenden an. Anscheinend sind die Passagiere des ersten Flugs ausnahmslos so früh gestorben, dass sie zum zweiten Start wieder da sind, denn wenn ich

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