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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Entscheidung. Obwohl ich mitgemacht habe, habe ich mich immer wieder mit der Frage herumgeschlagen, ob es richtig ist. Im Grunde bis zum Schluss.«
    »Warum das?«
    »Man darf sich nicht an die Vergangenheit klammern. An eine untergegangene Welt.« Dick hebt den Finger wie ein Oberlehrer. »Und sich selbst ein monumentales Denkmal setzen … das ist doch absurd und dumm.«
    Hört, hört.
    Aber natürlich hat er recht. Seiner Ansicht nach habe ich allerdings noch klüger gehandelt. Mir selbst ist mein Verhalten jedoch etwas peinlich: Nicht ein Ziegel von mir steckt in diesem Tempel.
    »Der Tempel ist also gebaut worden?«, hake ich nach.
    »Er ist seit einem Jahr fertig. Bist du schon mal dort gewesen?«
    Wie einfach auf einmal alles ist!
    »Nein, Dick. Aber ich muss unbedingt zum Tempel. Kannst du mir da helfen?«
    »Also … Leonid«, murmelt Crazy. »Zu Beginn, da haben mehr als hundert Leute beim Tempelbau mitgemacht. Aber schon nach einem halben Jahr waren es nur noch sieben, am Ende nur noch drei. Wir haben den Bau dann abgeschlossen …«
    »Mein Kompliment«, sage ich. »Es ist gut, dass der Tempel gebaut wurde. Und wo steht er?«
    »In einem Peer-to-Peer-Netz.«
    »Bitte?!«
    »Weißt du wirklich überhaupt nichts von dieser Geschichte?« Dick seufzt. Er holt ein Päckchen Zigaretten heraus und zündet sich eine an. Entweder hat er eine höhere Stellung als Maniac oder die Chefs vom Labyrinth sind nicht ganz so idiotisch wie die Leute bei Virtual Guns. »Der Tempel sollte ein ganz besonderes Projekt sein, Leonid.«
    »Und das heißt?«
    »Er sollte ewig stehen. Wie die Tiefe selbst. Deshalb durfte er nicht über einen einzigen Server laufen. Die Programme für den Tempel zirkulieren frei im Netz, ihre Fragmente werden synchronisiert und neu zusammengesetzt. Sie organisieren sich selbst. Um den Tempel zu zerstören, müsstest du sämtliche Rechner im Netz vernichten. Oder, um präzise zu sein, mehr als dreiundneunzig Prozent der Rechner, die es gegenwärtig tragen.«
    »Oh!«, bringe ich nur heraus. »Habt ihr den Tempel auf der Grundlage der Virustechnologie geschaffen?«
    »Was dachtest du denn? Darum habe ich mich persönlich gekümmert, die meisten Diver haben an der Errichtung des Tempels selbst gearbeitet. Die grundlegenden Programme dafür haben Profis geschrieben.«
    »Also existiert der Tempel … hat aber keine bestimmte Adresse in Deeptown …« Ich beiße mir auf die Lippe. »Wie komme ich dann zu ihm?«
    »Als unsere Zahl auf drei Diver zusammengeschmolzen war, haben wir eingesehen, dass es höchste Zeit war, das Projekt abzuschließen«, sagt Dick. »Auch wenn wir noch nicht alles realisiert hatten, was geplant war. Daraufhin haben wir drei Eingänge angelegt, jeder von uns einen. Die haben wir in der Tiefe versteckt
… Damit war der Bau dann beendet. In dieser Sekunde existiert der Tempel nicht einmal – aber sobald du zu einem Eingang gehst, setzt er sich eigenständig zusammen. Beeindruckend, oder?«
    »Ja«, bestätige ich. »Und wo ist dein Eingang? Verrätst du mir das?«
    »Klar. Du bist schließlich ein Diver. Aber … du musst verstehen …«
    »Was? Komm schon, Crazy, raus mit der Sprache!«
    »Damals hing mir das ganze Projekt zum Hals raus«, gesteht Dick. »Deshalb habe ich meinen Eingang an einem ziemlich … ausgefallenen Punkt angelegt. Im letzten Level vom Labyrinth des Todes.«
    »Du Idiot!«, sage ich nur, während ich mir vorstelle, wozu sich das größte Spiel in Deeptown in den vergangenen zwei Jahren ausgewachsen hat. »Wie schnell kann man das Labyrinth heute durchlaufen?«
    »Du kannst es auch heute noch allein durchlaufen, aber eigentlich ist es inzwischen ein Mannschaftsspiel«, antwortet Dick. »Man braucht einen Monat, vielleicht zwei. Wenn du dir den Tempel ansehen willst, dann nimm lieber einen anderen Weg.«
    »Und welchen?«
    »Der zweite in unserem Trio war Paul. Du erinnerst dich doch noch an ihn?«
    Das tue ich, wenn auch vage. Ein echter Hungerhaken in Shorts, der immer mit nacktem Oberkörper rumlief und eine bunt tätowierte Brust zur Schau trug.
    »Ja«, sage ich.
    »Er hat lange darüber nachgedacht, wo er seinen Eingang verstecken soll. Er hat das Ganze ziemlich ernst genommen. Am Ende hat er ihn im Keller eines der Büros von Microsoft untergebracht. «
    »Nicht schlecht.«
    »Nur leider war es genau in dem Gebäude, das im letzten Frühling von Terroristen in die Luft gejagt worden ist.«
    In meiner Verblüffung stoße ich einen Pfiff aus.
    Von

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