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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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sollte es heutzutage auch anders sein?
    »Hallo.«
    Ich habe ein leichtes Déjà-vu.
    Doch das ist nicht Alex, der mich da begrüßt und der mich vor zwei Jahren in seinem Hass bis zum dreiunddreißigsten Level gejagt hat.
    Nein, es ist eine junge Frau von etwa siebzehn Jahren. Ihr schwarzes Haar ist sehr kurz geschnitten. Ihr Gesicht ist vielleicht sogar etwas zu jung und naiv geraten. Aber ihre Figur ist durchtrainiert und schlank. Sie trägt Jeans und ein kariertes Männerhemd.
    Irgendwo habe ich sie schon mal gesehen.
    »Du hast den Job auch nicht gekriegt?«, fragt sie.
    Da fällt es mir ein. Sie war es, die der Sekretärin im Foyer irgendwas erklärt hat, als ich zu Richard gegangen bin.
    »Ich wollte ihn nicht.«
    »Haben dir die Bedingungen nicht gepasst?«
    Ich werfe einen Blick nach vorn. Bis zum Tor ist es noch ein ganzes Stück. Das dumpfe Heulen schwillt an.
    Warum die Zeit nicht mit ein wenig Geplauder überbrücken?
    »So in der Art.«
    »Du bist nicht sehr gesprächig.«
    Ich nicke.
    »Ich bin Nike.«
    »Und ich der Revolvermann.«
    »Spielst du schon lange?«
    »Sagen wir es so: Ich habe lange nicht gespielt.«
    »Was hältst du davon, wenn wir das erste Stück gemeinsam absolvieren? Das ist ziemlich vertrackt.«
    Ich muss mir alle Mühe geben, um nicht zu grinsen. »Nein, lieber nicht. Ich bin von Natur aus ein Einzelgänger.«
    Es wäre kein Vergnügen, sie abzuknallen – wenn sie mich hinterrücks erschießen will. Besser, ich führe sie gar nicht erst in Versuchung.
    »Okay«, gibt sie sich sofort geschlagen.
    »Frag doch jemand anderen«, sage ich.
    »Das werde ich auch. Sobald ich einen Spieler aus Fleisch und Blut finde.« Sie hat sofort jedes Interesse an mir verloren
und sieht sich die anderen Spieler um uns herum aufmerksam an.
    Es sind offenbar wirklich nur computergenerierte Attrappen. Das Labyrinth ist zwar gut besucht – aber so viele Menschen strömen nun auch wieder nicht herbei.
    »Sag mal, Revolvermann, kommt es dir auch manchmal so vor, als ob es im richtigen Leben genauso ist wie hier?« Unvermittelt befindet mich Nike wieder ihres Interesses für würdig. »Dass nur Attrappen um dich herum sind. Okay, sie haben alle unterschiedliche Gesichter und unterschiedliche Charaktere. Der eine hat einen starken Willen, der andere einen schwächeren. Trotzdem sind und bleiben neunzig Prozent von ihnen Puppen. Die jemand gemacht hat, damit wir uns nicht langweilen. «
    »Wie kommst du denn darauf?« Diese Hypothese verwirrt mich nun doch.
    »Also, wenn du an Reinkarnation glaubst … und dann bedenkst, dass die Zahl der Menschen ständig zunimmt … woher sollten denn da die ganzen Seelen kommen? Da müssen zwangsläufig Marionetten entstehen. Die sehen dann zwar völlig normal aus, haben aber keine Seele.«
    Ich könnte jetzt natürlich erwidern, dass ich nicht an Reinkarnation glaube.
    Nur ist das kein Argument.
    Inzwischen trennt uns nicht mehr viel vom Tor. Das Heulen wird fast unerträglich, die Luft riecht nach Ozon, jemand stolpert und sieht sich verängstigt um. O ja, der Eingang ins Labyrinth ist durchaus schreckenerregend – und stimmt dich folglich bestens auf das ein, was dich erwartet.
    »Mach’s gut, Revolvermann!«, ruft die Frau und rennt los, um in den dichten Nebel einzutauchen.
    Ich sollte mir ein Beispiel an ihr nehmen!
    Nach nur wenigen Schritten verschluckt der Torbogen den Himmel, bleiben nur noch Nebel und Stille.
    Ich rechne damit, sofort auf einem anderen Planeten herauszukommen, denn früher wurdest du im Labyrinth förmlich in die andere Welt hineinkatapultiert. Doch da sollte ich mich getäuscht haben.
    Unmittelbar hinter dem Torbogen liegt ein riesiger Saal. Mit Metallwänden, einer niedrigen Decke und einem kalten elektrischen Licht. An einer der Wände ziehen sich offene Duschen dahin, an einer anderen flache Badewannen, die mit einer Glasglocke verschlossen werden können.
    Es wimmelt von Menschen. Manche sind noch angezogen, andere bereits nackt: Letztere duschen sich oder irren hilflos durch den Raum.
    Ein paar durchtrainierte Frauen und Männer in Uniform und mit kurzen Knüppeln in der Hand sind ebenfalls anwesend.
    »Was gaffst du so?«, fragt mich eine junge Schwarze und fuchtelt mit dem Knüppel. Sie kaut einen Kaugummi, über ihre Wange zieht sich eine Narbe, auf ihrer Brust prangen mir unbekannte Orden. »Unter die Dusche mit dir, du elender Frischling! Zack, zack!«
    Ich lege es weder auf ein Wortgefecht noch auf Handgreiflichkeiten an; schon

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