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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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alte, halbverreckte Phagozyt wird in ein Gemetzel geschickt, wird auf einen neuen Feind gehetzt.
    Die Tiefe kann nicht denken. Sie lebt nur. Und sie kämpft so gut sie kann um ihr Überleben.
    Nun sind die Reservisten gefragt. Diejenigen, die noch kämpfen können. Und zwar richtig. Mit Leib und Seele.
    Einer wie Richard Parker?
    Bestimmt nicht. Er war ein echter Diver – für den die Tiefe immer nur ein Arbeitsplatz ist. Wahrscheinlich bietet ihm die reale Welt genug Reize und Attraktionen. Deshalb ist er aus dem Spiel ausgestiegen, deshalb hält er sich jetzt aus allem raus.
    Vika hatte die Tiefe ebenfalls verlassen können, leichten Herzens, wie es schien. Sie hat ihre aussichtsreichen Forschungen aufgegeben, auf ihr florierendes Geschäft gepfiffen, auf ihre Fähigkeiten als Raumdesignerin verzichtet …
    Nur mir wollte es nicht gelingen, mich von der Tiefe zu trennen. Mir war es egal, ob ich als Kadaver oder als Puppe weiterexistierte – wenn ich nur in Deeptown bleiben durfte. Falls es gar keine andere Möglichkeit gab, war ich sogar bereit, gezeichnete Klaviere durch die Gegend zu schleppen.
    Und auch Romka hatte nicht fortgehen können. Er war ein guter Diver und Werwolf gewesen – und wurde zu einem miserablen Hacker.
    Wir sind in die Falle getappt. Wir haben geglaubt, nur weil wir imstande sind, den VR-Helm rechtzeitig abzusetzen, haben wir uns unsere Unabhängigkeit gegenüber der Tiefe bewahrt. Aber so einfach war das alles nicht. Wirkliche Freiheit ist etwas ganz anderes. Kettenhunde bekommen zwar regelmäßig Auslauf – aber nur innerhalb eines festabgesteckten Terrains.
    Wessen Freiheit ist nun größer? Die des Yorkshires, der an der Leine mit seinem Herrchen Gassi geht? Oder die des Wolfshunds, der die ganze Nacht trunken von seiner Freiheit durch den Hof jagt und an den Latten des Zauns seine Duftmarken setzt?
    Du hältst dich natürlich gern für einen Wolfshund – jedenfalls so lange du den Zaun nicht bemerkst.
    »Gib mich frei, du verdammtes Stück«, zischte ich und stierte auf den Rechner. Vika runzelte die Stirn, während sie versuchte, die Schlüsselwörter und Befehle herauszufiltern. »Tu doch nicht so, als gebe es dich nicht, du gottverdammte Tiefe !«
    »Das habe ich nicht verstanden, Leonid.«
    »Klappe!«, brüllte ich, obwohl das Programm nichts für meine Stimmung konnte. »Du bist noch vorhanden, Tiefe , das weiß ich! Du verfolgst mich … wartest … du kannst nicht denken und nicht reden, aber du kannst leben!«
    Die gezeichnete Vika erwiderte kein Wort.
    Eine fiktive Geliebte ist besser als eine echte. Sie hört dir immer zu. Sie stimmt dir zu. Und sie sagt nur das, was du hören möchtest.
    »Du willst mir eine Deep-Psychose einreden, oder? Mir vormachen, dass ich ohne dich nicht leben kann, ja?«
    Was erwartete ich? Eine Antwort? Eine Donnerstimme, die mir erklärte: »Ja, ich bin ein Computerverstand, und du bist in meiner Gewalt!«
    In dem Fall wäre es eine ausgemachte Psychose. Ohne »Deep« davor.
    Ich beugte mich über den Tisch und presste die Stirn gegen das kalte Glas des Bildschirms. »Du hast ja recht«, flüsterte ich. »Ich kann ohne dich nicht leben. Ich brauche Deeptown. Ich brauche eine Rolle. Eine klar definierte Rolle. Und sei es die eines Phagozyten.«
    Mit einem Haufen kalter Mikrochips zu streiten – wenn das nicht Wahnsinn war!
    Doch am Ende wohl auch nicht wahnsinniger, als durch eine gezeichnete Kugel zu sterben …
    »Gut, du hast gewonnen«, hauchte ich. »Tiefe, Tiefe … ich bin dein.«
    Ich werde dich verteidigen. Ich werde gegen jede Gefahr ankämpfen, die dir droht.
    Sollten wir jedoch unterschiedliche Ziele verfolgen, sollte dir das Ergebnis nicht schmecken, dann habe Mitleid mit mir.
    Aber diese Worte würden nie über meine Lippen kommen.
    Niemals – solange der Rechner eingeschaltet ist.
    Gehen wir also davon aus, dass ich völlig den Verstand verloren habe.
     
    Deep.
    Enter.
    Wie lange würde ich wohl mit nur drei, vier Stunden Schlaf pro Tag auskommen? Einige Zeit bestimmt. Jedenfalls war das früher so.
    Figur Nr. 1.
    Der Biker. Ein unscheinbarer Standardtyp, der niemanden interessiert.
    Doch in der Tasche seiner Lederjacke steckt eine Pistole, die mit Kugeln der zweiten Generation geladen ist.
    Das ist zwar lächerlich, wenn ich bedenke, womit mein unbekannter Feind in den Kampf zieht, aber trotzdem besser als meine bisherige Ausrüstung. Und sogar furchteinflößender als der Warlock.
    Ich habe noch nie fremde Computer killen

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