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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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verbringen, Leonid.«
    Darauf erwidere ich kein Wort.
    Damit hatte ich nicht gerechnet. Bei ihm nicht.
    »Meinst du, das ist ein Fehler?«, fragt Richard.
    »Nein.« Ich erhebe mich. »Das ist völlig richtig, Crazy. Mache deinem Spitznamen lieber keine Ehre.«
    »Es wäre auch für dich klüger, nicht in die Tiefe zu gehen, Leonid. «
    »Ich weiß. Aber ich bin nicht so ein Vernunftmensch.«
    »Dann versuche es wenigstens auf einem anderen Weg«, rät mir Dick müde. »Es war ein Fehler, meinen Eingang im Labyrinth zu verstecken, das gebe ich unumwunden zu. Aber damals hing mir der ganze Tempelbau zum Hals raus … diese Galvanisation einer Leiche. Keine Sekunde lang habe ich daran gedacht, dass es eines Tages nötig sein würde, möglichst schnell zum Eingang zu gelangen.«
    »Was meinst du damit – ich soll es auf einem anderen Weg versuchen?«
    »Schnapp dir ein paar erfahrene Hacker. Sollen die sich was einfallen lassen, wie sie die Passwörter knacken und die Dateien öffnen. Das ist leichter.«
    Ich nicke und verlasse ihn. Mit steinerner Miene.
    Obwohl ich zugeben muss, dass der Rat klug ist. Das Labyrinth würde ich wohl nicht packen.
    Tiefe, Tiefe, ich bin nicht dein …
     
    Ich nahm den Helm ab.
    Es war schon komisch. Nie im Leben hätte ich geglaubt, dass Crazy Tosser bei einer Gefahr kneifen würde.
    Aber wenn wir ehrlich sein wollten, waren wir alle keine Helden. Wahrscheinlich taugt eh nur ein Vollidiot zum echten Helden.
Denn es gibt immer zwei Wege: zu fliehen – oder seiner Angst entgegenzutreten.
    Doch wenn ich eins nicht will, dann ist es, die Tiefe abzuschreiben.
    Obwohl …
    »Vika, fahr den Rechner runter!«
    Ich zog die Kabel raus, ging zum Fenster, schob die Gardine zur Seite und schaute hinaus.
    Es regnete. Ein hässlicher, dichter Regen, fast schon Schneeregen. Regenschirme schwebten über die Straße, die Leute hatten sich in Mäntel und Jacken gehüllt. Es war eine feine Sache, alles von oben zu betrachten. Den Regen durchs Fenster zu beobachten.
    Es war eine feine Sache, nur ein teilnahmsloser Beobachter zu sein.
    Und Crazy machte ja nichts Amoralisches, nicht mal, selbst wenn ich ihn nach den Maßstäben unseres eigenen Ehrenkodexes beurteilte, der heute allerdings sowieso nichts mehr galt. Crazy begab sich bloß nicht in Gefahr. Das war sein gutes Recht. Was sollte ihn denn zwingen, Deeptown zu verteidigen? Gut, er arbeitete dort, er hatte seinen Spaß in der Tiefe – aber das war nichts, wofür es sich lohnte, sein Leben zu riskieren. Sein reales Leben.
    Was wollte ich verteidigen?
    Romka würde ich nicht mehr retten. Ging es also um Rache? Aber an wem? Der Security-Mann wusste vermutlich nicht mal, womit seine Waffe geladen war und was er mit ihr anrichtete. Und derjenige, der diese Waffe der dritten Generation entwickelt hat, hatte noch nie im Leben von Romka gehört. Man kann schließlich auch Kalaschnikow nicht zum Vorwurf machen, dass irgendein Verbrecher mit dem berühmten Gewehr in eine Menge von Geiseln feuert.
    Sicher, es wäre bestimmt am besten, ich würde die Tiefe verlassen.
    Für immer. Das würde überhaupt etliche Probleme lösen. Ich würde mir eine richtige Arbeit suchen, die nichts mit der Tiefe zu tun hat. Statt virtuelle Restaurants aufzusuchen, würde ich reales Bier kaufen. Von mir aus sogar Shiguljowskoje. Wenn es selbst Bastard trank, würde ich es ja wohl auch runterbringen. Vika und ich könnten ans Meer fahren. Oder eine Wanderung machen, durch einen richtigen Wald, durch echte Berge. Wir würden mehr Freunde haben. Und aus den Zeitungen erfahren, was in Deeptown los war.
    Wobei …
    Ganz brauchte ich auf das Deep-Programm gar nicht zu verzichten. Vika und ich, wir könnten ein Restaurant nur für uns beide kreieren. Eine kleine und gemütliche Gaststätte. Mit computergenerierten Kellnern. Wir würden uns ein Haus designen. So eins wie das von Dschingis zum Beispiel.
    Vika könnte wieder ihre Berge zeichnen, die Quellcodes hatte sie ja noch.
    Nein, wir müssten wirklich nicht völlig auf die virtuelle Welt verzichten. Wir könnten uns ein Schneckenhaus in ihr schaffen. Indem wir die Telefonverbindungen kappten, die Standleitung aufgaben.
    Mit dieser kleinen, gemütlichen und sicheren Nische nur für uns beide in der Hinterhand könnten wir tagsüber in der realen Welt arbeiten und abends in unser persönliches virtuelles Paradies fliehen.
    »Tiefe, Tiefe … ich bin nicht dein«, sagte ich.
    Der Regen nahm immer weiter zu. Eine Frau mit

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