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Der falsche Zeuge

Der falsche Zeuge

Titel: Der falsche Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Blómkvist
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bekam Ófeigur eine Stelle als Wachmann bei dieser Firma, und dann kam der Rest wie von selber hinterher.«
    »Hast du vielleicht irgendwelche Unterlagen über diese Vereinigung?«
    »Was für Unterlagen?«
    »Schriftstücke, Bilder oder so was in der Art?«
    Herdís’ Zögern ist wirklich offensichtlich.
    »Ich denke, dass die Polizei das alles mitgenommen haben muss«, antwortet sie nach einer längeren Pause.
    »Du weißt doch, dass alles, was zwischen uns gesagt wird, vertraulich ist?«, frage ich. »Darauf kannst du dich verlassen.«
    Sie schaut in ihren Schoß.
    »Du darfst mir auf keinen Fall Unterlagen vorenthalten, die mir helfen könnten, deinen Sohn in diesem schwierigen Fall zu verteidigen«, füge ich hinzu.
    »Aber ich habe ihm versprochen, mit niemandem darüber zu sprechen«, antwortet sie schließlich.
    »Worüber?«
    »Er hat mich gebeten, ein Paket für ihn zu verwahren, es war am Donnerstag, früh am Morgen, bevor wir zur Arbeit gingen. Aber ich weiß nicht, was darin ist. Ich habe es nämlich gleich an seinem Gesichtsausdruck erkannt, dass es nichts bringen würde, ihn danach zu fragen.«
    »Wo ist dieses Paket?«
    Sie ist immer noch hin- und hergerissen.
    »Denk daran, dass du es warst, die mich um Hilfe gebeten hat«, sage ich und gebe meiner Stimme einen strengeren Tonfall. »Aber wenn du mir nicht vertraust, dann können wir den Fall gleich vergessen.«
    Da gibt sie endlich nach.
    Ich folge ihr in die Waschküche, die sich im östlichen Ende des Kellers befindet. Alle Wohnungen des Treppenhauses haben Zugang zu ihr. Die Waschmaschine läuft. Der Trockner auch.
    Herdís achtet darauf, dass die Tür gut verschlossen ist, nachdem wir die Waschküche betreten haben.
    »Heute ist nicht mein Waschtag«, sagt sie erklärend.
    An einer Wand befinden sich lauter kleine Schränkchen. Eines neben dem anderen, alle abgeschlossen. Sie geht zum Schrank, der mit ihrem Namen beschriftet ist, und öffnet ihn mit einem Schlüssel.
    Hier verwahrt sie ihr Waschmittel. Pakete von verschiedener Größe, jedes sieht anders aus. Einige Flaschen. Und eine Plastikdose, gefüllt mit Wäscheklammern. Alles für die saubere Wäsche.
    Herdís wirft besorgte Blicke auf die geschlossene Waschküchentür, bevor sie sich nach einem Paket reckt, das seitlich in der hintersten Ecke des Schränkchens liegt.
    »Mild für das Kind« steht mit großen Buchstaben auf der ehemaligen Waschmittelpackung.
    Das Paket wurde mit braunem Klebeband sicher zugepflastert.
    Sie reicht es mir, ohne ein Wort zu sagen.
    Ich werfe meine rotbraune Aktentasche auf die schnurrende Waschmaschine. Schiebe das Paket schnell hinein und schließe sie wieder.
    »Am besten, ich gucke mir das im Büro an.«
    Herdís geht vor mir her ins Treppenhaus.
    »Hoffentlich habe ich richtig gehandelt«, sagt sie, während sie vor der Haustür wartet.
    »Ich sage dir Bescheid, ob es etwas Brauchbares ist.«
    Sie schaut mir hinterher, als ich auf den Parkplatz gehe.
    Ich öffne meinen Silberpfeil. Gucke dabei zu ihr zurück.
    Aus den braunen Augen spricht die Angst.
     
    Als es Abend wird, sitze ich in meinem schwarzen Chefsessel. Lege die Rückenlehne weit zurück. Habe ein halb volles Glas in der Hand, schaue auf das Paket auf dem Schreibtisch und denke über meinen neuesten Klienten nach. Zuerst fällt mir die ekelhafteste Variante ein: dass Ófeigur Ruta vergewaltigt hat. Margrét behauptet, dass er einen oder zwei Abende, bevor Ruta Selbstmord begangen hat, in der Wohnung war. Aber er war nicht alleine unterwegs. Welche Arschlöcher haben ihn an diesem Abend begleitet? Audólfur Hreinsson? Und seine Muskelpakete? Waren die auch dabei?
    Ich komme nicht daran vorbei, Ófeigur zu befragen, was an diesem Abend in der Wohnung passiert ist. Ich muss mir Klarheit verschaffen, ob ich wirklich die Verteidigung eines totalen Abschaums übernommen habe.
    Aber vielleicht befindet sich auch die Antwort in diesem Paket?
    Schließlich stelle ich das Glas ab. Ziehe das Paket zu mir heran. Falle mit der Schere über das braune Klebeband her. Öffne den Deckel. Kippe den Inhalt auf den Tisch.
    Ein Schlüssel. Und ein Brief.
    Ich drehe den Schlüssel zwischen den Fingern. Erkenne ihn sofort. Habe selber so einen in meiner Aktentasche. Weiß, dass dieser Schlüssel zu einem Bankschließfach der Landsbanki passt.
    Aber welche Nummer hat das Schließfach?
    Hoffentlich finde ich Informationen dazu im Briefumschlag. Größe A5, gut mit Tesa verschlossen. Ich überlasse wieder der Schere

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