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Der falsche Zeuge

Der falsche Zeuge

Titel: Der falsche Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Blómkvist
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sagt Ófeigur, und ein widerliches Grinsen erscheint erneut auf seinem Gesicht. »Die sind doch geil auf isländische Männer.«
    »Ruta war gerade erst dreizehn Jahre alt.«
    »Ja, ja, sie fangen halt früh an.«
    Ich muss mich beherrschen, mich von seiner Unverschämtheit nicht zu Wutausbrüchen hinreißen zu lassen. Muss meine Rage im Zaum halten. Egal, was für einen Müll mein ekelhafter Klient von sich gibt.
    »Wer von euch?«, wiederhole ich.
    Ófeigur wird plötzlich misstrauisch. »Was geht dich das denn an?«, fragt er frech.
    »Ich bin nur neugierig.«
    »Aber ich muss dir nichts über diese Party sagen. Das hat nichts mit den Verfolgungen zu tun, denen ich zum Opfer gefallen bin.«
    »Dann muss ich das wohl so verstehen, dass du etwas zu verbergen hast.«
    »Nein, nein, ich meine nur, dass es dich nichts angeht, was wir an diesem Abend gemacht haben, wenn wir denn überhaupt was gemacht haben.«
    »Dann kommen wir heute nicht weiter«, sage ich und stehe auf. »Das ist wohl eindeutig.«
    Ich nehme meine rotbraune Aktentasche vom Tisch. Gehe auf die Tür zu. Bleibe in der Mitte des Weges stehen. Drehe mich um.
    Ófeigur hat es sich auf dem Stuhl bequem gemacht. Er scheint sehr zufrieden mit sich zu sein.
    »Deine Mutter hat bis jetzt noch nichts davon erfahren, was mit Ruta passiert ist«, sage ich. »Sie weiß daher noch nichts von deinem Anteil an der Tragödie. Aber das kann sich natürlich schnell ändern.«
    Er steht auf. Mit beunruhigter Miene. »Ich verstehe dich nicht ganz«, sagt er. »Drohst du mir?«
    »Ich meine nur, dass das ganze Trauerspiel früher oder später in den Nachrichten gebracht wird«, antworte ich. »Weil sie nämlich gestorben ist.«
    »Wer ist gestorben?«
    »Die kleine Ruta. Ihr habt sie umgebracht.«
    »Das ist eine Lüge!«, schreit er.
    »Was glaubst du wohl, wie es deiner Mutter damit geht, wenn sie von der neuesten Heldentat erfährt, die ihr mit Audólfur vollbracht habt?«
    Ihm ist ganz eindeutig nicht wohl dabei. Aber er versucht trotzdem, sich ungerührt zu geben. Mir zu zeigen, dass es ihm völlig egal ist.
    »Dann sind sie wenigstens schon mal einer weniger«, sagt er und startet einen misslungenen Versuch zu grinsen.
    Ich hämmere an die Tür.
    Sobald der Aufseher die Tür aufschließt, beeile ich mich, auf den Gang zu kommen. Dass ich diesen Widerling wirklich verteidige!
    Verdammtes Arschloch!
    Die ersten Minuten lasse ich meine Wut an meinem völlig unschuldigen Silberpfeil aus. Ich treibe ihn mit hoher Geschwindigkeit die steilen Hänge der Kambar {} hoch. Verlangsame das Tempo erst, als ich auf der Hellisheidi bin. Auf halbem Weg nach Reykjavik.
    Natürlich darf ich nicht zulassen, dass mich meine Gefühle auf Irrwege leiten. Nicht jetzt.
    Ich muss weiterhin meiner Pflicht als Verteidiger nachkommen. Aber auch das Versprechen einlösen, das ich Ruta gegeben habe, als ich ihren kalten Körper im kleinen Schlafzimmer gehalten habe.
    Klare Sache.
    Ich muss nur einen Weg finden, um zwei Herren gleichzeitig zu dienen: der Justiz.
    Und der Gerechtigkeit.

22
    Siggi Palli gibt vor, auf dem Sprung zu sein.
    Drífa und er sollen in spätestens einer Stunde im viel zu teuren Kulturhaus an der Hverfisgata erscheinen, welches von Scherzkeksen wegen irgendwelcher Finanzschiebereien als Korruptionshaus bezeichnet wird.
    Minister und Verwaltungsangestellte wollen die Mitglieder der Verhandlungsdelegation von Bushron bei einem Festessen mit isländischer Küche verabschieden. Bevor die amerikanischen Bosse sich auf den Flughafen begeben und Richtung Westen über den großen Teich zu sich nach Hause fliegen. Im edlen Lear Jet, der sie vor achtundvierzig Stunden hierher zum nördlichen Ende der Welt gebracht hatte.
    Mir ist es verdammt noch mal egal, ob er beschäftigt ist. Befehle ihm zu warten.
    Auf dem Weg komme ich an dem grauen Steinhaus in der Austurstraeti vorbei, wo die Landsbanki ihre Hauptfiliale hat. Ich selber habe zwei Schließfächer der Bank gemietet. Aber ich lasse sie heute beide links liegen. Gehe stattdessen direkt zu Ófeigs Schließfach.
    Stecke den Schlüssel ins Schloss. Öffne. Schaue hinein.
    Verdammt! Jemand war schneller. Das Schließfach ist leer.
    Deshalb mache ich es blitzschnell wieder zu. Schließe ab. Lasse den Schlüssel unauffällig in meine Tasche gleiten. Schaue mich vorsichtig um. Niemand scheint sich auch nur im Geringsten dafür zu interessieren, was ich getan habe.
    Gut.
    Ich bleibe einen Moment im geparkten Silberpfeil sitzen. Auf dem

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