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Der falsche Zeuge

Der falsche Zeuge

Titel: Der falsche Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Blómkvist
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Gedanken von mir fern zu halten. Meine Aufmerksamkeit stattdessen auf die wichtigen Aufgaben des Tages zu konzentrieren.
    Heute Morgen bekam ich endlich Kopien von allen Nachrichtenfilmen. Von den Krawallen auf der Besuchertribüne des Althing, am Tag, als Salvör starb. Aber nicht nur die Bilder, die im Fernsehen gezeigt wurden. Auch das restliche Material, das nicht spannend oder wichtig genug war, um auf die Mattscheibe zu kommen.
    In gewisser Weise sind sie enttäuschend. Keiner der Filme gibt auch nur den geringsten Hinweis darauf, welche Wege Salvör zurückgelegt hat, bevor sie zwischen die Fronten der Demonstranten und der Schwarzjacken geraten ist.
    Zumal die ersten Aufnahmen erst gemacht wurden, als Ófeigur und zwei seiner Kameraden mit dem Protest begannen. Sie hoben eine breite weiße Banderole mit Parolen in schwarzer Schrift hoch. Wedelten mit diesem Stoffstück über den Köpfen der Abgeordneten im Plenarsaal. Und riefen ihnen Verunglimpfungen zu.
    Zu dem Zeitpunkt hatte bereits eine Gruppe der Demonstranten eine Art Wall zwischen Ófeigur und den ratlosen Angestellten des Parlaments gebildet.
    Kurz darauf schwärmte eine Horde Schwarzjacken auf die Besuchertribüne und fing an, planmäßig vorzugehen. Erst versuchten sie, die zu verhaften, die ihnen am nächsten standen. Aber das dauerte eine ganze Weile. Die Jungs hakten sich gegenseitig unter. Drängten sich zusammen. Und versuchten weiterhin, ihre Kameraden zu schützen, die das Band hielten.
    Plötzlich kann man erkennen, dass Salvör mitten im Gerangel steht. Zwei Schwarzjacken versuchen, sie festzuhalten, aber verlieren sie wieder. Sie landet direkt auf Ófeigur, der sie grob von sich wegschubst. Salvör wird weggeschleudert und landet auf einem der Schwarzjacken. Er kämpft sich durch das Gedrängel. Mit der Absicht, Ófeigur und seinen Freunden die Banderole abzunehmen. Danach sieht es jedenfalls aus.
    Als Salvör und die Schwarzjacke kräftig zusammenstoßen, wird sie über das Geländer katapultierend stürzt in den Plenarsaal hinunter. Der Zusammenstoß schien unausweichlich zu sein.
    Aber die Schwarzjacke schiebt sie nicht mit den Händen weg. Nur Ófeigur.
    Ich schaue mir den Handlungsablauf immer wieder auf der Mattscheibe an. Versuche, Positives und Negatives gegeneinander aufzurechnen.
    Einerseits kann ich keine Argumente dafür finden, dass es auf Grund der Filmaufnahmen möglich sein sollte, Ófeigur für mehr als fahrlässigen Totschlag zu verurteilen. Natürlich schubst er Salvör grob von sich weg. Aber aus den Filmen geht wirklich nicht hervor, dass er sie tatsächlich über das Geländer befördern wollte.
    Salvör schien auch erst in diese Richtung zu steuern, nachdem sie auf die angriffslustige Schwarzjacke geprallt ist.
    Ich könnte daher die Nachrichtenfilme für Ófeigs Verteidigung benutzen, um nachzuweisen, dass Salvörs Tod ein Unfall war.
    Andererseits würden schon alleine die Aufnahmen dazu genügen, ihm mindestens zwei weitere Gesetzesbrüche nachzuweisen. Erstens die Demonstration an sich auf der Besuchertribüne. Zweitens die Handgreiflichkeiten mit den Schwarzjacken. Ófeigur ist einer von denen, die sich zur Wehr setzen, bis er zu Boden gezwungen wird.
    Ich sehe die letzten Nachrichtenfilme im Zeitraffer durch, wo gezeigt wird, wie die Schwarzjacken die Aufrührer in Handschellen die Treppe hinunter abführen. Einige der Festgenommenen grinsen direkt in die Kamera. Sie scheinen wohl schwer mit ihrem Tagewerk zufrieden zu sein.
    Aber wer war das denn?
    Ich habe für einen kurzen Moment das Gefühl, dass ich eines dieser vielen Gesichter kennen sollte, die für einen Augenblick im Hintergrund zu sehen waren.
    Ich nehme die Fernbedienung, um das Video zurückzuspulen. Schaue mir dann erneut eine kurze Sequenz an, in der zwei Schwarzvögel einen der Festgenommenen von der Tribüne zur Treppe führten.
    An ihnen habe ich kein Interesse mehr. Konzentriere mich lieber auf die Gesichter derer, die an der Seite stehen und die Festnahmen verfolgen. Spule ein paar Mal vor und zurück. Stoppe dann das Band und stelle auf Standbild, wo das undeutliche Gesicht auf dem Bildschirm erscheint.
    Es ist Siggi Palli.
    Kein Zweifel.
    Er steht an der Treppe, die zum Dachgeschoss hochführt. Was hat er an diesem Ort zu dieser Zeit zu suchen? Ist er vielleicht die ganze Zeit über dort gewesen, seit die Demonstration auf der Zuschauertribüne begonnen hat? Oder sogar noch länger? Sah er vielleicht auch, wie es dazu kam, dass Salvör in

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