Der falsche Zeuge
Parkplatz vor der Bank. Gucke dem Regen zu, wie er in unzähligen Tropfen auf die Windschutzscheibe fällt.
Verdammter Schlamassel!
Natürlich hätte ich auf die Idee kommen können, dass Ófeigs Kameraden auch einen Schlüssel haben. Und dass sie versuchen würden, das, was im Schließfach verwahrt wurde, aus dem Weg zu schaffen, noch bevor die Goldjungs davon Wind bekamen, dass es das Schließfach überhaupt gab.
Audólfur Hreinsson wäre da schon mal ein Kandidat.
Er ist mir einen Schritt voraus. Schon wieder. Dieses Ekel!
Dann fahre ich weiter. Trete das Gaspedal durch.
Siggi Palli und Drífa haben beide Abendgarderobe an, als ich erst meinen Silberpfeil vor ihrem hell gestrichenen Einfamilienhaus in Kópavogur West geparkt und dann bei ihnen geklingelt habe. Sie macht ein besorgtes Gesicht. Oder ängstlich.
»Kann das nicht bis morgen warten?«, fragt Siggi Palli unwirsch.
»Es geht ganz schnell, wenn du mir aufrichtig antwortest.«
Er guckt Drífa an. Liest den Befehl in ihren Augen. Und gibt nach.
Noch ein Hinweis darauf, wer in dieser Ehe die Hosen anhat.
»Hat dir jemand Exemplare dieser Fotos geschickt?«, frage ich und reiche ihm zwei Fotos aus Ófeigs Umschlag.
Drífa beugt sich vor, um besser sehen zu können. »Mein Gott!«, ruft sie.
»Wo hast du die her?«, fragt Siggi Palli.
»Hast du sie schon einmal gesehen?«, frage ich erneut.
Er antwortet nicht sofort.
Drífa reißt ihm die Bilder aus der Hand. Betrachtet sie abwechselnd. »Ich glaube das einfach nicht«, sagt sie.
Siggi Palli möchte mir am liebsten etwas vorlügen. Ich kann es ihm ansehen.
Aber er tut es nicht. »Ja, ich habe ein ähnliches Foto im Sommer mit der Post bekommen«, antwortet er dumpf.
»Was wollten diejenigen, die dir das Bild geschickt haben, von dir?«
»Da war nur das eine Foto im Umschlag, ohne irgendwelche Erklärungen.«
»Aber irgendwas muss doch noch gekommen sein?«
»Ja, ich habe eine Woche später ein zweites Foto bekommen.«
»Wurde dann Geld verlangt?«
»Nein.«
»Aber Informationen?«
Drífa wirft mir einen schnellen Blick zu. »Worauf willst du hinaus?«, fragt sie mit unguter Vorahnung in der Stimme. »Was für Informationen?«
Ich fixiere Siggi Palli: »Ja, berichte uns mal, welche Informationen sie haben wollten.«
»Ich habe jetzt keine Zeit, um ausführlich in die Details zu gehen.«
»Du und deine Details!«, keift Drífa. »Glaubst du, ich könnte auf der Feier so tun, als wäre alles in bester Ordnung, wenn ich nicht weiß, was du mal wieder ausgefressen hast?«
»Aber wir müssen los.«
»Jódís wird es mir sofort ansehen, dass etwas nicht in Ordnung ist.«
»Immer denkst du nur daran, was Jódís findet!«, sagt er.
Drífa betrachtet Siggi Palli kalt.
»In Ordnung, ich erzähle dir alles, sobald wir wieder zu Hause sind«, fügt er hinzu.
»Und ich dachte, du hättest mir schon alles erzählt!«, antwortet sie aufgebracht.
Da lässt er seine Wut an mir aus: »Dein Timing ist ja mal wieder perfekt!«
»Warum gehst du jetzt auf Stella los?«, fragt Drífa. »Es ist alles allein deine Schuld, und ich will jetzt augenblicklich wissen, was du angestellt hast.«
Siggi Palli wirft einen Blick auf die Uhr. »Okay«, lenkt er ein. »Die, die mir diese Fotos geschickt haben, wollten, dass ich ihnen Kopien von Unterlagen besorge, die ich im Ministerium einsehen kann.«
»Aber du hast es nicht gemacht?«, fragt Drífa.
»Ich konnte nicht anders, denn sie haben mir gedroht, dir die Bilder zu schicken und sie ins Netz zu stellen. Das hätte alles für uns ruiniert!«
»An welchen Unterlagen hatten sie Interesse?«, frage ich.
»Es waren Berichte und Notizzettel über die geplante Privatisierung.«
»Sprichst du über vertrauliche Dossiers der Regierung?«
»Ja.«
»Und wer hat sie entgegengenommen?«
»Das weiß ich nicht. Ich bekam die Anweisung, die Papiere an einem bestimmten Ort abzulegen.«
»Hast du nicht gesehen, wer sie geholt hat?«
»Nein, ich bin immer gleich weggegangen, so wie es mir gesagt wurde.«
»Immer?«
»Beide Male, ja.«
»Wo sind die Briefe, die du bekommen hast?«
»Ich habe sie verbrannt.«
»Die Umschläge auch?«
»Ja, den ganzen Kram.«
Verdammt!
Drífa guckt mich an. Furcht steht in ihren blauen Augen. »Weißt du, wer hinter dieser Sauerei steht?«, fragt sie barsch.
»Bis jetzt habe ich nur einen undeutlichen Verdacht.«
»Aber wie bist du denn dann an die Fotos gekommen?«
»Purer Zufall.«
Plötzlich wendet sie sich Siggi
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