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Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Titel: Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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erstarrten sie und warfen sich hin.
    Welles erschrak. Steckte da hinter ihr noch ein Gefangener? Sie wirbelte herum, aber der Korridor war leer. Dann wandte sie sich wieder den anderen Beamten zu, die immer noch Deckung suchten und wild gestikulierten. Sie riefen etwas. Welles war nach dem Schuss halb taub und konnte sie nicht verstehen.
    Endlich hörte sie die Stimmen. »Herrje, deine Waffe, Linda! Steck sie weg! Pass auf, wohin zu zielst!«
    Da erst begriff sie, dass sie vor lauter Panik mit der Glock herumgefuchtelt hatte wie ein Kind mit einer Spielzeugpistole – die Mündung war ständig zwischen Decke, Boden und ihren Kollegen hin und her gewandert.
    Sie musste über diese Gedankenlosigkeit unwillkürlich lachen. Als sie die Pistole ins Holster schob, spürte sie etwas Hartes an ihrem Gürtel und nahm es in die Hand. Es war ein blutiger Knochensplitter von Weirs Schädel. »Oh«, sagte sie, ließ ihn fallen und kicherte wie ihre kleine Tochter, wenn sie gekitzelt wurde. Linda spuckte sich auf die Handfläche und wischte sie an der Hose ab. Das Scheuern wurde immer hektischer, bis sie schlagartig aufhörte zu lachen, auf die Knie fiel und lauthals zu schluchzen anfing.

…Sechsunddreißig
    »Du hättest dabei sein sollen, Mum. Ich glaube, es war ein voller Erfolg.«
    Kara saß auf der Sesselkante und hielt einen lauwarmen Starbucks-Becher umschlossen, dessen Temperatur ziemlich genau der eines Menschen entsprach – der Haut ihrer Mutter, zum Beispiel, noch immer rosig und gesund.
    »Ich hatte die Bühne eine Dreiviertelstunde ganz für mich allein. Na, wie klingt das?«
    »Du…?«
    Das Wort war nicht ihrer Fantasie entsprungen. Ihre Mutter war wach und hatte die Frage mit fester Stimme gestellt.
    Du
.
    Aber leider hatte Kara keine Ahnung, was ihre Mutter meinte.
    Es konnte heißen: Was hast du gerade gesagt?
    Oder: Wer bist du? Wieso kommst du in mein Zimmer und setzt dich hier hin, als würden wir uns kennen?
    Oder: Ich habe das Wort »du« früher mal gehört, aber ich weiß nicht, was es bedeutet, und traue mich nicht, danach zu fragen. Es ist wichtig, das weiß ich noch, aber an mehr kann ich mich nicht erinnern. Du, du, du…
    Dann schaute ihre Mutter aus dem Fenster zu der Efeuranke und sagte: »Alles ist gut geworden. Wir haben es prima überstanden.«
    Kara wusste, dass es zwecklos war, ein Gespräch mit ihr zu versuchen, wenn sie sich in diesem Zustand befand. Ihre Sätze würden keinen zusammenhängenden Sinn ergeben. Manchmal verlor sie sogar mitten im Satz den Faden, so dass ihre Stimme verwirrt erstarb.
    Also erzählte Kara einfach weiter von den
Metamorphosen
und der Show. Und dann – sogar noch aufgeregter – berichtete sie der alten Dame davon, dass sie der Polizei geholfen hatte, einen Mörder zu fangen.
    Da hob ihre Mutter plötzlich eine Augenbraue, als würde sie die Tochter erkennen. Karas Herz fing an, laut zu klopfen, und sie beugte sich vor.
    »Ich habe das Geld gefunden. Ich dachte schon, ich hätte es verloren.«
    Der Kopf sackte auf das Kissen zurück.
    Kara ballte die Fäuste. Ihr Atem kam stoßweise. »Ich bin’s, Mum! Ich! Die Prinzessin. Kannst du mich denn nicht sehen?«
    »Du?«
    Verflucht noch mal!, schrie Kara stumm den Dämon an, der von der armen Frau Besitz ergriffen und ihre Seele umnachtet hatte. Lass sie los! Gib sie mir zurück!
    »Hallo«, ertönte eine weibliche Stimme aus Richtung der Tür. Kara erschrak und wischte sich mit einer kaum merklichen Bewegung ein paar Tränen von der Wange, bevor sie sich umdrehte.
    »Hallo«, sagte sie zu Amelia Sachs. »Sie haben mich aufgespürt.«
    »Ich bin Polizistin. Das ist mein Job.« Sie kam ins Zimmer und sah den Kaffee in Karas Hand. »Wie wär’s mit Nachschub?«, fragte Amelia. Sie hatte zwei Starbucks-Becher mitgebracht.
    Kara hatte ohnehin fast ausgetrunken, also warf sie den Pappbehälter in den Abfalleimer und nahm den frischen Kaffee dankbar entgegen. »Man darf das gute Koffein doch nicht verkommen lassen.« Sie trank einen Schluck. »Danke. War’s schön im Restaurant?«
    »Ja, allerdings. Diese Jaynene ist zum Brüllen komisch. Thom war gleich ganz begeistert von ihr. Und sie hat sogar Lincoln zum Lachen gebracht.«
    »Das geht bei ihr jedem so«, sagte Kara. »Sie ist wirklich ein herzensguter Mensch.«
    »Balzac hat Sie nach dem Ende der Show so schnell mit Beschlag belegt«, sagte Amelia. »Ich wollte mich nur noch mal bei Ihnen bedanken. Und Ihnen ausrichten, dass Sie uns die Beratung in Rechnung stellen

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