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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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stand. Der musste ja nun völlig niedergeschlagen, vernichtet sein. Wie hatte er doch die himmlische Schönheit und Majestät der neuen Semiramis gepriesen! Manchmal waren ihm dabei sogar die Tränen gekommen. Und nun das!
    Aber der Vater bemerkte weder die Schweinchenbacken noch die abscheuliche Falte unter der Nase noch die behaarte Warze. Seine schönen, etwas hervortretenden Augen strahlten vor heller Begeisterung. Alexej Woinowitsch tippte seinem Sohn vorsichtig mit einem Finger an die Schulter und bedeutete ihm damit, er solle nicht herumzappeln, sondern stillstehen. Und Mithridates stand still, betrachtete aber nicht mehr die fette Alte, sondern die anderen Spieler, deren Anblick weitaus angenehmer war.
    Als Katharina sich endlich entschieden hatte und unsicher eine Karte auf das blaue Tuch warf, klapperte die junge Dame, die links von ihr saß, mit ihren flaumigen Augenwimpern, biss sich auf die Unterlippe und sah sich unsicher nach ihrem Nachbarn um, einem prächtigen Jüngling in blauer Uniform. Diese zwei hier hatte Mitja sofort erkannt, weil sie im Unterschied zu der Zarin auf den Porträts realistisch dargestellt waren. Der Jüngling war Seine Hoheit, der Enkel der Kaiserin, die anmutige Person seine Gattin, eine gebürtige Markgräfin von Baden-Durlach. (Wie er es gewohnt war, prüfte Mitja sein Gedächtnis: Das Markgrafentum hatte 712000 Einwohner beiderlei Geschlechts, von denen zwei Drittel lutherischer Konfession waren. Größe: 3 127 Quadratmeilen. Eisenerzgewinnung und Anbau von Weinen, deren berühmteste der »Markgräfler« und der »Klingelberger« sind.) Ihre Hoheit drehte die Karten ein wenig, damit ihr Gatte sie einsehen könne, der Großfürst flüsterte ihr etwas in ihr rosiges Öhrchen, woraufhin sie leise raunte:
    »Je passe.«
    Der erhabenste Enkel passte ebenfalls, offenbar hatte auch er die Karte nicht. Der vierte Spieler dagegen, der ungewöhnliche Beau mit dem blau schimmernden Band, einem Brillantkringel auf der Schulter und wunderbaren Schnallen aus funkelnden Steinen an den Schuhen (wie anzunehmen ist, nicht aus buntem Glas wie bei Mithridates, sondern echte Rubine und Smaragde), knallte leger seine Karte auf die der Kaiserin.
    »Da ist sie, die Dame. Das habt Ihr vergessen, meine Liebe«, sagte der Sieger lachend und sammelte alle Spielmarken ein.
    Mitja ahnte bereits, dass dies der wichtigste Mann an der Seite Ihrer Majestät war: der Favorit höchstpersönlich, der durchlauchtigste Fürst Platon Alexandrowitsch Surow; ein anderer konnte es nicht sein. Vater hatte viel von dem Fürsten erzählt. Und hatte sich dabei jedes Mal auf die Lippen gebissen und mit den Nasenflügeln gezuckt – er zürnte dem Schicksal, dass es ihn hatte leer ausgehen lassen. Einer hatte alles bekommen, war General-Feldzeugmeister, Oberkommandeur der Flotte und General der Infanterie geworden und hatte auch noch rund fünfzigtausend Bauern geschenkt gekriegt, während der andere, keineswegs weniger würdige, mit einem Leben ohne Lichtblick, einem untröstlichen Herzen und bitterem Bedauern zurückblieb. Dabei hätte alles auch ganz anders kommen können, sagte Vater; seine Augen sprühten jedes Mal Funken, die gezupften Brauen wölbten sich, seine Stimme kam ins Zittern und überschlug sich.
    Mitja hatte diese Geschichte oftmals gehört und kannte alle Einzelheiten in- und auswendig. Wie sein Vater in jungen Jahren bei demselben Kavallerie-Garderegiment gedient hatte, aus welchem Platon Alexandrowitsch dann später aufgestiegen war, und dass er sich ebenfalls hatte hervortun können – die Zarin hatte schon ein Auge auf den bildschönen Mann geworfen. Und nicht nur das! Eines Tages (o unvergesslicher Tag) hatte sie sich erlaubt, ihn mit dem Finger zu sich zu winken, hatte ihn am Kinn gepackt und Vaters Kopf so gedreht, dass sie das Profil zu sehen bekam, und das Profil des Seconderittmeisters Alexej Karpow war nun wirklich von reinem Bronze-Marmor, woraufhin der Kandidat zur Untersuchung beim Leibarzt geschickt wurde und selbst die »Prüfung« bei Anna Stepanowna Protassowa würdig hinter sich brachte, worauf er später besonders stolz war. Worin die Prüfung bestand, war Mitja schleierhaft, aber an dieser Stelle der väterlichen Erzählung packte ihn immer die Angst. Nach Vaters Worten war das berühmte Kammerfräulein Anna Stepanowna schrecklicher als ein afrikanisches Einhorn, und Einhörner hatte Mithridates auf einem Bild in der Enzyklopädie gesehen – sie waren furchtbar. Das habe die

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