Der Favorit der Zarin
auch eine Dame in antiker Chlamys und mit Goldkrone, dahinter ein wunderbarer Palast orientalischen Aussehens mit einem prächtigen Dachgarten. Aha, das war wohl eine Darstellung der babylonischen Königin Semiramis (oder richtiger: Sammu-Ramat, wie sie bei dem großen Herodot heißt) mit ihren Hängenden Gärten. Alles klar.
Sehr viel bemerkenswerter war ein am Fenster angebrachter Apparat: er war rund und aus Bronze. Das ist ja toll, registrierte Mithiridates, er zeigt die Temperatur an und den Luftdruck. Schade, dass man nicht näher herangehen und ihn untersuchen kann.
Aber darüber hinaus gab es nichts sonderlich Interessantes in dem Saal. Gut, da war ein Kronleuchter aus Kristallglas, der in allen Regenbogenfarben schillerte. Gut, da waren Büsten aus Marmor. Gut, da war ein Intarsien-Parkett. Aber von den Gemächern, in denen sich die Vertrauten der größten Monarchin der Welt versammeln, hätte man doch etwas Ausgefalleneres erwarten können.
»Schachmatt, Platon Alexandrowitsch«, erklärte Katharina, und die Zuschauer klatschten leise und dezent. »Sei nicht betrübt, mein Herz, ich tröste dich nachher dafür.«
Sie beugte sich zu ihm und flüsterte dem dicht an sie herangerückten Surow etwas zu, was allem Anschein nach lustig war – jedenfalls kicherte sie selbst fein und wackelte mit ihren Kinnfalten. Die Höflinge wandten sich sofort ab, ja manche taten sogar so, als musterten sie den Kronleuchter und den Stuck an der Decke.
Der Favorit lächelte ebenfalls, wenn auch etwas angestrengt. Er sagte:
»Ich danke, Eure Majestät.«
Ach, was gab es bei den beiden schon zu sehen!
Am meisten interessierten Mitja die wunderlichen Gestalten, die neben ihm standen: der amerikanische Wilde und das Weib mit dem verwegenen, nach oben gezwirbelten Schnurrbart. Er ging zwei Schritte nach hinten, um ihr nicht ins Gesicht zu starren, und reckte den Hals nach rechts, wo die wunderbare Schnurrbärtige von einem Bein auf das andere trat.
Ja, das war wirklich ein echtes Wunder! Da behaupten doch die anatomische und die physiologische Wissenschaft, während Personen weiblichen Geschlechtes eine erhöhte Behaarung in der Scheitel- und Nackenpartie des Craniums aufweisen, seien sie von Natur aus nicht zur Behaarung des Gesichts disponiert! Ob er einmal an ihrem Schnurrbart ziehen sollte – womöglich war er ja nur angeklebt?
Offenbar hatte die Kaiserin dieselbe Idee.
Wieder, schon zum zweiten Mal, betrachtete sie die Gruppe: Mithridates mit dessen Vater, den Indianer, das Mannweib und (vorneweg in der Pose eines Regimentskommandeurs bei der Parade) den Oberstallmeister Lew Alexandrowitsch Kukuschkin, den Wohltäter von Mitja und dessen Vater.
»Wen habt Ihr denn da angeschleppt, Lew Alexandrowitsch? Und darüber sollen wir uns nun vor Lachen ausschütten?«, fragte die Kaiserin. »Ist ihr Schnurrbart denn überhaupt echt?«
In den über und über mit Federn und bunten Glaskugeln behängten Indianer (wenn man den doch mal berühren könnte!) kam Bewegung. Er versteht unsere Sprache ja nicht, erriet Mitja. Da denkt er womöglich, es ginge um ihn.
»Waschecht, Eure Kaiserliche Majestät! Da könnt Ihr Euch drauf verlassen, ich hab an der Behaarung des Mädchens Jefimija gezupft, dass ich mir die ganzen Finger zerstochen habe. Der ist nicht abzukriegen!«, brüllte Kukuschkin munter und fröhlich. Lew Alexandrowitsch musste fröhlich auftreten, das war seine Aufgabe: sich alle möglichen Späße und Kunststücke zur Aufmunterung Ihrer Majestät auszudenken.
Er schnippte mit den Fingern, um der Schnurrbärtigen zu bedeuten, sie möge näher kommen. Und ging dann rund und leicht, wie er war, selbst auf sie zu.
»Meine Liebe, seid Ihr wirklich ein Weib?«, fragte Ihre Majestät lächelnd und musterte das Naturwunder.
Kukuschkin legte die Hand auf die Brust und sagte:
»Ich habe es eigenhändig überprüft, Eure Majestät. Die gesamte weibliche Komplettierung ist an Ort und Stelle.«
Die Höflinge grölten bereitwillig – man merkte, sie hatten von Lew Alexandrowitsch etwas Komisches erwartet.
Auch die Kaiserin lachte und sagte:
»Wirklich?«
Lew Alexandrowitsch hob zwei Finger und sagte:
»Jefimija, los.«
Das Weib fragte laut flüsternd:
»Soll ich mich jetzt schon entblößen?«
Sie ging in die Hocke und hob einen Rockzipfel. Das Gegröle nahm zu.
Katharina konnte nicht mehr vor Lachen und winkte ab.
»Lass gut sein, du alter Verführer. Zieh mit deinem Monstrum ab. Und schenk ihr hundert Rubel. Da
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