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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Kopf jagen oder kopfüber in einen Strudel stürzen möchte. Und am meisten tut mir weh, dass du mich nicht ansehen willst und dass du, wenn ich an deinem Haus vorbeireite, absichtlich die Fensterläden schließen lässt. Grausame! Warum gehst du weder auf die Bälle noch zu den Donnerstagen? Auch sie hat es gemerkt. Neulich sagte sie, wo ist meine Schwägerin? Und da zuckte mein Herz in der Brust wie die Flügel des Liebesgottes Amor. Und ich kann Euch wahrlich sagen, mein Täubchen Pawlina Anikitischna: Ich bin nicht ich, wenn ich nicht mit dir zusammen sein werde wie Amor mit Psyche, denn ebendiese Psyche, nichts anderes seid Ihr für mich. Erinnert Ihr Euch an diese Verse? »Tollend wollte Amor Psyche fangen, Blumen um sie beide winden und zum Knoten binden.« Wisse darum, o Psyche meiner Seele, der Knoten zwischen uns ist durch den Willen des Himmels geknüpft und keine Macht der Welt kann diesen Knoten lösen. Ton Amour.
    Während er las, kamen ihm vor Rührung die Tränen, er fuhr sich mit dem Ärmel über die Augen.
    »Nun, du weiser Mithridates, wiederhole! Und wehe, du lässt ein Wort weg! Na, kannst du das?«
    Was gab es denn da zu können? Mitja wiederholte, das kostete ihn ja nichts. Seine Durchlaucht guckte auf den Zettel.
    »Jawohl! Da fehlt kein einziges Wort! Als hätte er es aufgeschrieben!«, jubelte er. »Siehst du, Jeremej? Ich werde ihr schreiben, meiner Liebsten, und keiner wird den Brief abfangen, keine Angst. Wenn es hart auf hart kommt, hat der Junge es sich selber ausgedacht, darauf kann man sich immer herausreden. Die Alte wird mir schon glauben. Und sieh mal.« Surow packte Mitja an den Schultern und drehte ihn hin und her. »Wenn man ihm die Haare aufdreht, einen Chiton näht und hinten Flügelchen aus Mull anbringt, dann ist er ein richtiger Cupido. Man kann ihm auch noch einen kleinen goldenen Bogen mit Pfeilen geben.«
    Metastasio wurde nervös und flüsterte dem Favoriten etwas ins Ohr. Mitja entfernte sich – sollten sie doch ruhig ihre Geheimnisse haben, das war ihm herzlich egal.
    Er hatte sich immer noch nicht von der plötzlichen Wendung erholt, die sein Leben genommen hatte. An wen sollte er sich halten? Wen konnte er um Rat fragen?
    Er streifte durch den Saal, seufzte und stellte sich dann neben den bekannten Alten – der war wenigstens kein völlig Fremder, immerhin hatten sie mehr als eine Stunde nebeneinander gestanden.
    »Herzlichen Glückwunsch zu Eurer Einstellung«, sagte der und hockte sich hin, um auf einer Höhe mit Mitjas Gesicht zu sein. »Früh übt sich, was ein Meister werden will. Vielleicht ergibt sich irgendwann die Gelegenheit, und Ihr könnt ein Wort für mich einlegen? Seit über zwei Wochen will ich vorsprechen und komme nicht ans Ziel. Ich habe Folgendes auf dem Herzen . . .«
    Und er erzählte etwas von seinem jüngsten Sohn, einem Taugenichts, aber so langatmig und in allen Details, dass Mitja es vorzog, die Meerkatze zu beobachten. Das Tierchen war allerdings auch wirklich zu witzig und durchtrieben. Irgendwie mochte es den Kaffeegeneral und baute sich vor ihm auf, starrte ihn mit seinen glänzenden Äuglein vom Scheitel bis zur Sohle an und steckte den runzeligen Finger in den Mund – alles richtig wie ein Mensch.
    »Vorsicht, Michail!«, warnte der Favorit fröhlich, »Zephirka verliebt sich leicht. Hüte dich, ihre weibliche Schwäche auszunutzen. Wenn du sie schwängerst, musst du sie heiraten.«
    Der General fand den Scherz des Fürsten lustig und antwortete im selben Ton:
    »Das hängt doch von der Mitgift ab, die sie von Euch bekommt, Platon Alexandrowitsch. Ja, warum denn nicht, warum sollte ich sie denn eigentlich nicht heiraten?«
    Und er beugte sich zu dem Viech und tätschelte es. Zephirka wurde verlegen, schubste die Hand des Generals mit ihrer Pfote weg, drehte den Kopf zur Seite und blinzelte ihn kokett an. Und sie lachte mit all dem Charme, dessen eine Meerkatze fähig ist. Dann wurde sie noch verlegener, ließ sich auf alle viere herab, wich zurück und versteckte sich, hast du‘s nicht gesehen, unter dem prachtvollen Rock der nächstbesten Dame.
    Na, da war vielleicht was los! Mehr tot als lebendig, ging die Dame in die Knie und kreischte. Das Publikum krümmte sich vor Lachen, am lautesten krähte der Favorit.
    Mitja aber tat die Dame Leid. Er fragte sich: Was geht wohl in ihr vor? Sie kann ja nicht den Rock heben und das Tier verjagen. Und mit der Hand kommt sie durch die starren Fischbeinstäbchen auch nicht

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