Der Favorit der Zarin
stand ein geschwätziger Alter mit einem Stern; er flüsterte, dieser Held von Ismail habe von den Türken gelernt, wie man einen trefflichen Kaffee koche. Platon Alexandrowitsch habe einmal dieses berühmte Getränk probiert und es zu loben geruht, und seitdem halte es Michail Ilarionowitsch (so hieß dieser Held) für seine Pflicht, Seine Durchlaucht jeden Morgen zu besuchen und ihm eigenhändig Kaffee zu kochen. »Ganz schön schlau«, sagte der Alte neidisch. »Der schafft es mit seinem Kaffee glatt unter die Ersten.«
Sollte das etwa das wunderbare höfische Leben sein, von dem Vater geträumt hatte?, fragte sich Mitja seufzend. Wie viele Bücher er gestern und heute hätte lesen, wie viele interessante Gedanken er hätte wälzen können . . .
»Zappel nicht herum«, flüsterte Alexej Woinowitsch. Er beugte sich herab, brachte das Toupet des Sohns in Ordnung und sagte leise, dass es der Nebenmann nicht hörte: »Macht nichts, mon ange, halt nur durch. Die anderen sind alle Bittsteller, wir dagegen sind geladen. Das ist ein großer Unterschied.«
Vaters Hände zitterten noch mehr als gestern. Das war ja schließlich keine Kleinigkeit, Surow hatte sie höchstpersönlich eingeladen! Die Kaiserin hatte ihm hundert Tscherwonzen geschenkt und ihm aufgetragen, morgen Abend zum Schachspielen ins Brillantzimmer zu kommen; aber sie hatte dabei gegähnt. Seine Durchlaucht dagegen hatte kurz und keinen Widerspruch duldend gesagt, bevor er Ihrer Majestät ins Schlafzimmer gefolgt war: »Morgen beim Lockenwickeln bei mir antreten. Beide.«
Vater hatte die ganze Nacht nicht geschlafen, er war im Zimmer auf und ab gegangen. Mal überwog die Angst vor der Eifersucht des Favoriten, mal versprach er sich unerhörte Gunstbeweise, mal wandte er sich der Ikone zu und betete inbrünstig. Mitja wurde selber neugierig: Was wollte der Fürst von ihnen? Vielleicht will er Schachspielen lernen, um die Kaiserin schlagen zu können? Das war ein Kinderspiel.
Endlich! Der Griff der besagten Tür machte einen Ruck, das Flüstern verstummte schlagartig. Alle waren bereit und lächelten zuckersüß.
Aber den Saal betrat nicht Seine Durchlaucht, sondern ein ausgemergelter Offizier des Preobrashenzen Regiments mit einem finsteren, zerknitterten Gesicht. Ohne die Versammelten anzusehen, ging er auf den goldenen Tisch zu, wo das Frühstück für eine Person serviert war, schenkte ein ganzes Glas Wein aus der Karaffe ein und trank es aus. Der Adamsapfel des Offiziers zuckte, und man hörte durch die Stille, wie der Wein in der Kehle gluckerte.
Der Alte flüsterte:
»Das ist der Hauptmann Andrjuscha Pikin, der Adjutant des Fürsten. Ein Spitzbube, der im Gefängnis sitzen müsste. Sie lassen diesem Räuber alles durchgehen.«
Nachdem er ausgetrunken und sich zufrieden geräuspert hatte, wurde der Hauptmann fröhlicher. Er strich seinen kecken Schnurrbart glatt, leckte sich die roten Lippen und ging sporenklirrend auf die an der Wand stehenden Stühle zu, auf die sich bisher niemand zu setzen gewagt hatte. Dieser Kerl aber ließ sich auf den Sitz plumpsen, schlug ein Bein über das andere und zündete sich auch noch eine Pfeife an.
Wieder quietschte die Tür, wieder wurde es still, aber auch diesmal war es nicht der Fürst, sondern ein hocheleganter Herr, dessen Gesicht dem Sterlett, mit dem der Vater und Mitja gestern nach dem Sieg in der Kleinen Eremitage bewirtet worden waren, erstaunlich ähnlich sah: genauso eine nach oben ragende spitze Nase, ein breiter dünnlippiger Mund, und sogar mit seinem Hintern wackelte der neu Hinzugekommene richtig wie mit einem Fischschwanz.
»Metastasio, Jeremej Umbertowitsch«, meldete der nützliche Alte. »Der Sekretär Seiner Durchlaucht. Man sollte hingehen und sich verneigen. Gleich kommt Seine Durchlaucht höchstpersönlich. . .«
Und Karpows Nebenmann stürzte zu dem Sekretär, nur wie sollte der Alte es schaffen, sich an den anderen Bittstellern vorbei einen Weg zu bahnen? Herr Metastasio war umringt von Leuten, die ihm irgendwelche Zettel zustecken und ihm etwas ins Ohr flüstern wollten. Dabei blieb er noch nicht einmal an einem Fleck stehen, sondern durchquerte leicht und schwebend den Saal, und die ganze Menge folgte ihm, sich gegenseitig anrempelnd.
»Ist er Italiener?«, fragte Mitja den erfolglos zurückgekehrten Alten.
»Ein Hochstapler ist er«, antwortete der Alte wütend und rieb sich den aufgeschürften Ellenbogen. »Man hat ihn in Mailand wegen Betrügerei an den Schandpfahl
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