Der Federmann
Veränderung in seinem Gesicht zu registrieren.
»Ist etwas?«
Er holte umständlich das Handy hervor.
»Gleich, es ist nur –«
Sie schauten beide auf das leuchtende Display.
»Entschuldigen Sie mich bitte für eine Sekunde. Das könnte dienstlich sein.«
Er erhob sich und ging aus dem Zimmer.
Im Flur drückte er auf die grüne Taste.
Es war nur ein sehr kurzes Gespräch.
Als er wieder bei Jana Michels war, runzelte sie die Stirn.
»Herr Trojan, eigentlich sollten Sie das Handy ausschalten während einer Sitzung.«
»Ich weiß, aber manchmal lässt sich das nicht vermeiden. «
»Was ist passiert? Sie sind ganz blass.«
»Es tut mir sehr leid. Ich muss zu einem Einsatz.«
»Ist es etwas Schlimmes?«
Er schwieg.
»Ein Mordfall?«
Er nickte nur. Sie sah ihn an.
Dann reichte er ihr die Hand zum Abschied.
Nur ein Termin, dachte er.
Man wollte ihm einen Wagen schicken, aber er radelte einfach los.
Er hatte das Gefühl, dass schon zu viel Zeit vergangen war, wertvolle Sekunden, in denen er Jana Michels an der Praxistür schweigend angesehen hatte, bis sie schließlich gesagt hatte: »Nun gehen Sie endlich«, mit dem Versuch eines Lächelns.
Trojan keuchte. Der Kreuzberg, die Osteria, der Bergmannkiez flogen an ihm vorbei, dann hatte er die Hasenheide erreicht. Vom Hermannplatz war es nicht mehr weit bis zur Fuldastraße.
Der Täter war irgendwo hier in der Nähe.
Gerber hatte am Telefon von einem Mädchen gesprochen, das ihn gesehen hatte.
Der Mörder wilderte in diesem Viertel.
Trojan durfte nicht noch mehr Zeit verlieren.
Er beschleunigte, umkurvte Passanten an einer Ampel, raste über die Pannierstraße, ein Wagen bremste dicht vor ihm.
Er fuhr weiter, jemand drückte hinter ihm erzürnt auf die Hupe.
Trojans Lunge brannte.
Schon von weitem sah er die aufzuckenden Blaulichter der Streifenwagen und die Absperrbänder vor dem Mietshaus in der Fuldastraße. Ein Pulk von Schaulustigen hatte sich davor versammelt.
Er stieg vom Rad, schloss es an einen Laternenpfahl, hielt kurz inne, um zu verschnaufen, zückte seinen Dienstausweis, und man ließ ihn passieren.
Das Treppenhaus war hell erleuchtet. Er vernahm das Knistern aus den Funkgeräten, die knappen Zurufe der Beamten, das aufgeschreckte Stimmengewirr der Hausbewohner.
Die Tür zu der Wohnung im vierten Stockwerk stand weit offen. Die Kollegen aus dem Team waren längst versammelt.
Gerber trat auf ihn zu.
»Er hat wieder zugeschlagen«, sagte er leise. »Wir sind ziemlich sicher, dass es derselbe ist.«
Trojan war noch immer außer Atem.
»Bist du bereit?«
Anstelle einer Antwort wischte er sich den Schweiß von der Stirn.
»Also komm.«
Gerber führte ihn in das Schlafzimmer.
Die Frau lag nackt auf dem Bett, die Arme nach oben gestreckt, die Beine gespreizt. Ihr Kopf war mit Schnittverletzungen übersät, auf der linken Seite fehlte ihr das Haar. Auf der rechten fiel es ihr in blonden Strähnen ins Gesicht.
Wo einmal ihre Augen gewesen waren, klafften dunkle Höhlen.
Trojan erkannte die tiefe Stichwunde am Hals. Der ganze Körper war mit paarweisen Striemen malträtiert.
»Der Vogel fehlt«, sagte er. »Habt ihr einen Vogel gefunden? «
Gerber schüttelte den Kopf. »Der Täter ist gestört worden. Vielleicht ist das die Erklärung dafür.«
»Wer ist sie?«
»Melanie Halldörfer, zweiunddreißig Jahre alt, alleinerziehend, ein Kind. Die Tochter hat sie vor etwa einer Stunde entdeckt, ein zehnjähriges Mädchen. Sie sagt, es sei jemand in der Wohnung gewesen. Hier, bei der Mutter im Schlafzimmer. Er habe über ihr gehockt. Sie ist schreiend rausgerannt. Als die Nachbarn kamen, um nachzuschauen, fanden sie nur noch die Tote vor.«
Trojan fühlte sich wie gelähmt. »Mein Gott, die eigene Tochter.«
Armin Krach kniete am Boden und hob mit einer Pinzette ein Haar auf, das er in einem Plastikbeutel verschwinden ließ.
»Niemand darf das Haus verlassen«, sagte Trojan.
Gerber brummte zur Bestätigung.
Er war kreidebleich.
»Und jeden Winkel durchsuchen. Vielleicht hält sich der Täter noch immer hier versteckt.«
»Ich habe die Kollegen bereits darauf angewiesen. Aber wahrscheinlich ist der Täter längst über alle Berge. Wir haben eine geöffnete Dachluke entdeckt, der Dachboden war unverschlossen.«
»Sucht da oben alles ab.«
»Ist längst in Arbeit.«
»Er kann über das Dach geflohen und durch einen anderen Hauseingang getürmt sein.«
»Natürlich.« Gerber warf ihm einen strengen Blick zu. »Nils, du
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