Der Federmann
Ledersessel und hatte die Beine übereinandergeschlagen. Ihr Kleid war etwas knapper als sonst, und ihr Lächeln war einladend und schön.
Trojan räusperte sich.
»Und?«, fragte sie. »Wie geht es Ihnen heute?«
Er schwieg.
Sie faltete die Hände in ihrem Schoß und wartete.
Trojan seufzte. »Heute Abend bin ich kein Patient.«
Sie sah ihn an.
»Die Therapie ist mir im Augenblick völlig egal. Ich bin froh, hier zu sein.«
Sie lächelte. »Das ist schön.«
»Sind Sie auch froh?«
Sie zog die Augenbrauen hoch, antwortete nicht.
»Freut es Sie, dass ich hier bin?«
»Ja, natürlich. Wir waren doch verabredet.«
»Freitag um acht, genau.«
Es entstand eine Pause. Er sah sie nur an. Dann atmete er tief ein: »Wenn ich bei Ihnen in der Praxis bin, muss ich ja immerzu von mir selbst erzählen. Dabei gibt es einiges, was ich Sie gerne fragen würde.«
»Und das wäre?«
»Zum Beispiel, wie Sie das aushalten. Sie kommen nach Hause, sind angefüllt von all diesen Geschichten, jeder hat seinen Seelenmüll vor Ihnen ausgeschüttet. Ist das nicht zum Verzweifeln?«
»Dafür gibt es eine Supervision.«
»Und was heißt das?«
»Ich treffe mich mit einem anderen Psychologen und erzähle ihm von den Fällen, die mich belasten oder in denen ich nicht weiterkomme.«
»Das ist also eher beruflich.«
Sie lachte. »Wie meinen Sie das?« »Wenn du nach Hause kommst, schweigen dich erst einmal die Wände an.«
»Sprechen Sie von sich selbst, Herr Trojan?«
»Nein, von Ihnen.«
»Ich dachte, weil Sie mich geduzt haben.«
»Sie dachten an ein verallgemeinerndes Du?«
»Ja.«
»Ein verbindendes Du. Du und ich.«
Was rede ich hier?, dachte er. Ein Termin, es ist nur ein Termin. Aber warum lächelt sie mich dann so an?
»Es gibt Freunde, mit denen man sich verabreden kann«, sagte sie leise.
»Ja, Freunde. Aber Sie haben es das letzte Mal so schön gesagt: dieser Mangel, wenn es niemanden gibt, mit dem man alles teilen kann –«
Er brach ab.
Mein Gott, dachte er, warum kann ich sie nicht einfach fragen, ob sie allein lebt? Warum ist das so schwierig mit Psychologinnen?
»Vielleicht bin ich ein Romantiker.«
»Ja, das könnte schon sein.«
Sie sah ihm tief in die Augen, und Trojan verspürte ein Wirbeln in der Brust.
Und wenn heute mein Glückstag ist?, dachte er. Ich werde ihr vorschlagen, die Therapie abzubrechen, damit sie sich ganz ohne berufliche Skrupel mit mir treffen kann.
»Aber Ihre Exfrau … ich denke –«
Dass sie Friederike erwähnen musste, war für ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Er zuckte innerlich zusammen.
»Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, aber ich habe wirklich das Gefühl, dass Sie unter der Trennung sehr gelitten haben und vielleicht noch immer leiden.«
»Nein, das ist alles längst vorbei.«
Sie trug ihr Haar wieder hochgesteckt, er mochte das. Für einen Augenblick stellte er sich vor, wie es wäre, hineinzugreifen und es zu öffnen.
»Nein, nein, das ist wirklich vorbei, ich bin wegen dieser Panikattacken zu Ihnen gekommen, aber auch die werden sich auflösen.«
Alles wird sich lösen, dachte er.
Schließlich sagte er: »Sie haben einen Vorsprung.«
»Einen Vorsprung?«
»Ja, weil ich Ihnen schon so viel von mir erzählt habe. Das ist doch ungerecht, oder?«
»Ungerecht, inwiefern?«
»Sie erfahren alles von mir, ich aber nichts von Ihnen.«
»Nur so funktioniert eine Therapie.«
»Und darum sagte ich vorhin, dass ich heute Abend kein Patient bin.«
»Sondern?«
Er holte tief Luft. Und dann fragte er plötzlich: »Leben Sie allein?«
Sie schwieg, aber ihr Lächeln verschwand nicht.
»In Schöneberg? Lassen Sie mich raten. Gleich hier in der Nähe? Ich versuche mir auszumalen, wie Sie sich Ihre Wohnung eingerichtet haben.«
Sie lachte. »Ach ja?«
»Ich sehe viele Kissen vor mir und bunte Tücher.«
»Tücher?«
Sie lachte herzlich.
»Und Sie haben einen Flokatiteppich, wie es vielleicht auch in Ihrer Kindheit einen gab. Wir zu Hause hatte einen, und wenn meine Eltern nicht da waren, hab ich ihn einfach mit in mein Zimmer genommen.«
Trojan dachte daran, wie er als kleiner Junge auf dem Teppich gelegen hatte, darin versunken, sich weit weg träumend.
»Erzählen Sie mir davon. Erzählen Sie mir von dem kleinen Jungen auf dem Flokatiteppich.«
Das war der Moment, als sein Handy in der Tasche zu vibrieren begann.
Nicht rangehen, war sein erster Gedanke, nicht jetzt. Allerdings war es seine Pflicht, erreichbar zu sein.
Sie schien sofort die
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