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Der Federmann

Der Federmann

Titel: Der Federmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bentow
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von den beiden massakrierten Frauenkörpern vor seinem inneren Auge auf, unerbittlich und grell.
    Die Zeichen stimmten überein. Nur auf einem Leib fehlte der Vogel.
    Wir müssen seine Art bestimmen, durchfuhr es ihn. Das könnte von Bedeutung sein.
    Wie viele verschiedene gab es eigentlich in dieser Stadt? Er beschloss, das demnächst nachzuschlagen.

    Er rieb sich den Nacken, dann setzte er den Kaffee auf.
    Nur zwanzig Minuten später saß er auf seinem Fahrrad und strampelte am Kanal entlang.
    Das Urbankrankenhaus war ein grauer Klotz, die Rückseite führte direkt zum Ufer hinaus.
    Trojan fragte an der Pforte nach, dann nahm er den Aufzug und stieg im sechsten Stockwerk aus. Der Geruch nach Desinfektion und Betäubung, das fahle Neonlicht, die lautlosen Schritte auf dem Linoleum, all das löste ein bedrückendes Gefühl in ihm aus, wie immer bei Besuchen in Kliniken. Zwangsläufig musste er an seine Mutter denken, die Ahnung von Todesnähe in ihrem Blick, ihr kahler Schädel nach der Chemotherapie.
    Abrupt blieb er stehen.
    Die kahlen Schädel der beiden Toten. Das Resthaar bei der einen, blond und blutverkrustet.
    Die Bilder schoben sich übereinander.
    Die Mutter nach ihrer letzten Operation, Schläuche in Mund und Nase, sein Vater, seine Schwester und er an ihrem Bett.
    Und mit einem Mal sah er wieder ganz deutlich vor sich, wie sie zu Hause in der Neubausiedlung gestorben war. Ihr letztes Aufbäumen, das Ersticken, er hatte nur noch ihre Hand halten können.
    Er war gerade einmal achtzehn Jahre alt gewesen, und er hatte sich so schwach und hilflos gefühlt. Ihm war, als wäre damals etwas in ihm zerbrochen.
    Er taumelte.
    Es half nichts, er musste weiter.
    Endlich hatte er die Krisenstation erreicht.

    Er fragte die Leiterin der Abteilung nach Lene Halldörfer.
    »Ach, das Mädchen, das gestern Abend eingeliefert wurde.«
    Trojan nickte zur Bestätigung.
    »Mit wem habe ich es denn bitte schön zu tun?«
    Ihm gefiel der leicht schnippische Unterton nicht. Er zeigte ihr seinen Dienstausweis.
    Die Stationsschwester warf einen kurzen Blick darauf, dann sagte sie: »Lene ging es heute Morgen schon wieder besser. Ihr Vater war hier und hat sie abgeholt.«
    »Ihr Vater?«
    »Ist das so ungewöhnlich?«
    »Hat er sich ausgewiesen?«
    »Natürlich.«
    Ihr stieg eine leichte Röte ins Gesicht. Trojan musterte sie, die unvorteilhaft große Brille, das fransig kurzgeschnittene Haar, ihre von Schweiß glänzende Stirn.
    »Haben Sie sich wenigstens irgendwo den Namen und die Adresse notiert?«
    Sie schnitt eine Grimasse, setzte sich an ihren Schreibtisch, klapperte auf der Tastatur des Computers und wies schließlich auf das Register auf ihrem Monitor.
    »Bernd Schuch.«
    »Nicht gerade der Name der Mutter.«
    »Auch das ist ja heutzutage nicht weiter ungewöhnlich«, schnaufte sie.
    »Hören Sie, wir ermitteln in einem Mordfall. Die Mutter der Kleinen wurde umgebracht.«
    »Darüber bin ich informiert.«

    »Zunächst einmal wird jeder aus ihrem Umfeld verdächtigt. «
    »Aber wenn doch der eigene Vater –«
    »Haben Sie auch überprüft, ob er das Sorgerecht für Lene hat?«
    Die Schwester sah ihn irritiert an.
    Trojan stieß die Luft aus.
    »Das hat er nämlich nach unseren Informationen nicht. Also hätten Sie Lene nicht einfach in seine Obhut geben dürfen.«
    Sie trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte. Dann versuchte sie den Einwand mit einer energischen Handbewegung wegzuwischen.
    »Schauen Sie, wir sind hier alle ein bisschen überarbeitet. «
    »Erzählen Sie mir nichts von zu viel Arbeit«, entgegnete er. »Hat ein Arzt die Wunden des Mädchens untersucht?«
    Sie nickte.
    »Er soll mir den Bericht ins Kommissariat schicken, noch heute.«
    Trojan schnippte ihr seine Visitenkarte hin. Dann fingerte er nach seinem Handy und drückte eine Kurzwahltaste.
    »Ich brauche Verstärkung, am besten Gerber, und einen Wagen, schnell«, sprach er in den Hörer.
     
    Sie rasten die Urbanstraße entlang, hinterm Hermannplatz fuhren sie die Karl-Marx-Straße hinunter. Je weiter südlich sie kamen, desto trostloser wurde die Gegend, Import-Export-Geschäfte, Shisha Bars und Ramschläden reihten sich aneinander.

    Gerber war nicht sehr gesprächig. Alles, was Trojan aus ihm herausbekam, war, dass er schlecht geschlafen hatte. Als er sich nach Natalie erkundigen wollte, grunzte er nur.
    Vielleicht hat ihr das Geburtstagsgeschenk nicht gefallen, dachte er bitter.
    Sie hielten an der Ecke Lahnstraße. Der Lärm war

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